Ruhrgebiet:Oberhausen ist das letzte Abenteuer Deutschlands

Ruhrgebiet: "Schippe Sand über das ganze Ruhrgebiet und gut ist": Künstlich angelegter Strand in Oberhausen.

"Schippe Sand über das ganze Ruhrgebiet und gut ist": Künstlich angelegter Strand in Oberhausen.

(Foto: Mario Wezel)

Das Ruhrgebiet, einst Motor des Landes, ist voller Schulden und Arbeitsloser und weiß nicht mehr genau, wozu es da ist. Warum leben da überhaupt noch Menschen? Wegen der Liebe natürlich.

Von Bernd Dörries

Das fängt ja schon einmal gut an. Vor dem Bahnhof in Oberhausen ist an diesem Donnerstag eine ziemliche Sause im Gange, der Boden voller zerbrochener Flaschen, in den Büschen sich erbrechende Menschen. Die Stadtverwaltung hat an den Bushaltestellen Hinweise aufgehängt, auf denen der Bahnhofsvorplatz gelb eingezeichnet ist - gelb steht für ein totales Alkoholverbot. In Oberhausen wurde der Hinweis bisher eher missverstanden, so als müsse man in diesen gelben Zonen trinken, so viel wie möglich.

So in etwa hatte man sich das Ruhrgebiet vorgestellt. Eine Region, die einmal das ganze Land nach oben gebracht hat. Und die nun immer Schlusslicht ist. In der kommenden Woche feiert das Land Nordrhein-Westfalen 70 Jahre seines Bestehens. Pünktlich zum Geburtstag sind die Zahlen mal wieder mies, letzter beim Wirtschaftswachstum, ganz hinten bei der Bildung. Früher war das Ruhrgebiet die Lokomotive, heute ist es die Bremse. Unter den Schwachen ist die Stadt Oberhausen eine der Schwächsten, mit hohen Schulden und vielen Arbeitslosen, ein wenig vergessen vom Rest des Landes. Der fragt sich, warum leben da noch Menschen? Und wie lebt es sich da?

Zwei Wochen schaut man sich das mal an und trifft auf eine Stadt, die ziemlich erschöpft wirkt. Auf Menschen, die einfach weiter machen. Man lernt eine Region kennen, die manchmal einfach nur da ist und nicht mehr so genau weiß, wozu. Die aber auch ihre ganz großen Momente hat.

Man trifft auf Hajo Sommers, Theatermacher und Präsident von Rot-Weiß Oberhausen, der die Stadt kurz vor dem Untergang sieht, dafür aber erstaunlich gute Laune hat. "Ich sehe die Lage hier nüchtern. Wenn man sich die ökonomischen Zahlen anschaut, und auch darüber nachdenkt, wie das hier aussieht, bleibt nur: Schippe Sand über das ganze Ruhrgebiet und gut ist."

Man trifft auch Menschen, die das ähnlich sehen, die einem dann aber immer wieder von ihrer großen Liebe erzählen, von ihrer Liebe zu Oberhausen. Da ist Suat Yilmaz, der früher immer im Dreier-BMW durch die Stadt gecruist ist und keiner von den einfachen war. Und der heute Leute zum Studieren bringt, die sonst nie an eine Uni gekommen wären.

Man trifft auf einen Oberbürgermeister, der nach 60 Jahren SPD einiges anders machen will, und man trifft auf das Ehepaar Czeslaw und Maria Golebiewski, die schon einiges geändert haben, deren Kneipe und Restaurant Gedanska ein Stück Bohème ist, wie man es in dieser Stadt gar nicht erwartet hätte. Einer Stadt, die anders ist als erwartet. Und vielleicht das letzte Abenteuer, das man in Deutschland noch erleben kann.

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