Ohne kleinen Waffenschein:dm verkauft jetzt Pfefferspray - und erntet Kritik

dm Markt Filiale in Karlsruhe

dm verkauft in seinen Drogeriemärkten jetzt auch Pfefferspray - Experten sind davon gar nicht begeistert.

(Foto: dpa)
  • Seit kurzem verkauft auch die Drogeriemarktkette dm Pfefferspray - offiziell zur Abwehr von Tieren.
  • Experten sind besorgt und raten vom Kauf ab, weil das Reizgas die Gefahr für die Opfer oft noch erhöht.
  • Seit der Vielzahl der sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht rüsten immer mehr Deutsche aus Furcht vor Angriffen auf.

Von Stephan Radomsky

Shampoo, Deo, Sonnencreme, - und Pfefferspray? Körperpflege gehört zum Kerngeschäft von dm, und neuerdings auch die Körperverteidigung. Seit Ende Juni vertreibt die Drogeriemarktkette auch ein "Tierabwehrspray" - vulgo: Pfefferspray - und lässt sich damit auf ein heikles Geschäft mit der Angst ein.

Reizgas als "Tierabwehrspray" zu verkaufen ist legal. Ob die Kunden beim Kauf aber wirklich an bissige Hunde und tollwütige Füchse denken, ist zumindest zweifelhaft. Die meisten ängstigen wohl eher aggressive Mitmenschen. "Mit Besorgnis" beobachte man deshalb den Trend zur Selbstbewaffnung, sagt ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei. Denn die Deutschen rüsten seit Monaten auf: Im ersten Halbjahr stieg die Zahl der "kleinen Waffenscheine" um fast die Hälfte auf nun 402 000. Damit dürfen Reizgas und Schreckschusswaffen in der Öffentlichkeit getragen werden, ihr Kauf ist aber auch ohne den Schein legal.

Weil die von dm und anderen Einzelhändlern verkauften Sprays offiziell nur Tiere abwehren sollen, dürfen sie auch ohne Genehmigung in der Handtasche stecken. Setzt der Besitzer oder wohl eher die Besitzerin es gegen einen Angreifer ein, wäre das wohl Notwehr. Wird aber aus Versehen ein Unschuldiger damit verletzt, könnte auch eine Anzeige drohen. Dennoch verlassen sich die Händler, die solche Produkte ohne besondere Beratung verkaufen, schon länger auf diese Lücke.

Auch dm verteidigt das Angebot: Es gebe eben die entsprechende Nachfrage, sagte Geschäftsführer Sebastian Bayer dem Tagesspiegel. Die Resonanz der Kundinnen sei "überwiegend positiv". Auf SZ-Anfrage äußerte sich dm zunächst nicht.

"Schein-Sicherheit" durch Waffen

Woher das Interesse der Kunden so plötzlich kommt, darüber lässt sich spekulieren. Ziemlich sicher spielen die Vorfälle aus der Silvesternacht in Köln eine Rolle, als zahlreiche Frauen am Hauptbahnhof Opfer sexueller Übergriffe wurden. Mindestens genauso wichtig sei aber der öffentliche Umgang mit diesen Übergriffen, sagt Anita Eckhardt vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (BFF): "Gerade in letzter Zeit beobachten wir eine regelrechte Panikmache rund um das Thema, die auch teils durch die medialen Darstellungen gefördert wird." Das erzeuge bei vielen ein Gefühl der Unsicherheit, insbesondere bei Frauen.

Dagegen aber mit Waffen wie Pfefferspray anzugehen, sei der falsche Weg, warnt die Polizeigewerkschaft. Sie vermittelten "nur eine Schein-Sicherheit", im Ernstfall könnten die Opfer meist gar nicht schnell genug reagieren und wenn, dann machten sie es in der Panik oft falsch. Zudem eskalierten gefährliche Situationen noch schneller, sobald solche Waffen im Spiel sind. "Dann kann es zu noch mehr Gewalt kommen." Ähnlich sieht es Eckhardt: "Die Anwendung ist nicht ganz ungefährlich und oft wenig hilfreich." Sie hält es deshalb nicht für ratsam, das Pfefferspray so öffentlich zugänglich zu vermarkten.

"Der Bürger soll sich schützen und achtsam sein", sagt der Polizei-Gewerkschafter, "aber im Notfall lieber Alarm schlagen, das Weite suchen und uns anrufen."

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