Oberschleißheim:Von der Laune zur Liebe

Mit 88 Jahren geht Tausendsassa Hubertus Moeller ein neues Projekt an - ein Buch über das Alte Schloss Schleißheim

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Hubertus Moeller hat sich in hohem Alter noch einmal verliebt - ins Alte Schloss Schleißheim, dessen Ursprünge eine Schwaige war. Der Wittelsbacher Wilhelm V. hatte es 1597 erworben, er baute es zu einem schlichten Herrenhaus aus, sein Sohn Maximilian I. ließ sich später von italienischen Baumeistern wie Scamozzi und Palladio inspirieren und gab ihm sein heutiges Erscheinungsbild. "Das Haus lebt in einem Dornröschenschlaf", beklagt Möller. Der 88-Jährige hat zehn Jahre lang Vorträge hier gehalten und nun plant er, ein Buch über das Alte Schloss zu schreiben. Für ihn eine Selbstverständlichkeit: "Ich bin ein verkappter Workaholiker, ich muss Arbeit haben."

Moeller, aufgewachsen in einer großbürgerlichen Familie, kennt das Leben in einem Schloss aus eigener Anschauung. Als Kind lebte er einige Zeit mit seiner Mutter auf Schloss Groß Holstein bei Königsberg, einst als Jagdschloss der preußischen Kurfürsten gebaut - "eine fantastische Kindheit", erinnert sich Moeller, der heute noch ausschaut, als sei er ein Schlossherr. Und da er ein Tausendsassa ist, der über eine Fülle von Talenten verfügt, hängt dieses Schloss als eines seiner selbstgemalten Bilder an der Wand seiner Fünf-Zimmer-Wohnung, die er mit seinem Lebensgefährten teilt. Von außen erscheint sie unspektakulär, doch im Inneren bietet sie viel Stoff, um 100 Jahre Geschichte Revue passieren zu lassen. Das fängt beim Foto des abgedankten Kaisers Wilhelm II. in Holland an, das einer seiner Verwandten bei einem Besuch dort gemacht hat, geht über Kinderfotos auf ostpreußischen Gütern bis hin zu Schauspielern wie Edda Seippel oder Axel von Ambesser.

Moellers Leben war so bunt, dass es ebenfalls hervorragenden Buchstoff abgäbe. Er machte nach dem Krieg sein Abitur in Wiesbaden, wo er eine Stelle am Theater fand. "Ich habe vom Eleven bis zum Spielleiter durchgehalten", erzählt er. Als Regisseur hat er in ganz Deutschland, in Belgien, Holland, der Schweiz und in Österreich gearbeitet. Opern, Operetten und Musicals waren seine Spezialität. Er hat zwischendurch auch nebenher für Industriewerbung gemodelt, später mal als Antiquitätenhändler gearbeitet. Dass München sein Alterssitz wurde, schreibt er "einer Caprice, einer Laune" zu. Der Schauspieler Klaus Schwarzkopf, den er bereits seit Wiesbadener Zeiten kannte, habe ihm 1980 seine Wohnung angeboten, da er selbst von Giesing nach Schwabing umziehen wollte. Wer im Internet Klaus Schwarzkopf googelt, findet den Namen Hubertus Moeller als lange geheim gehaltenen Lebensgefährten von Schwarzkopf. "Nein", sagt Moeller sehr bestimmt, "wir waren befreundet, es hat nie ein Verhältnis gegeben". Doch es sei eine besonders enge Freundschaft gewesen, die bis zum Tod des Schauspielers in Bochum bei den Dreharbeiten zur Serie "Der großen Bellheim" 1991 andauerte.

Mit München kam Moeller anfangs gar nicht gut zurecht. Engagements brachten längere Auswärtsaufenthalte mit sich und die Stadt musste warten. "Dann hörte ich auf zu arbeiten und es dauerte nur ein Jahr, und München hörte auf mein Kommando." Lesungen und Vorträge in seiner Wohnung gehörten zu festen Einrichtungen, dazu stand Moeller selbst in der Küche und drei Bedienungen trugen auf, wie er erzählt. "Das Personal habe ich noch, aber das Publikum nicht mehr."

Doch momentan verfolgt der 88-Jährige eh sein neuestes Projekt, das Buch über das Alte Schloss. Er lernte das Haus über Umwege kennen, als er drei Kupferstiche an die Ost- und Westpreußen Stiftung übergab, die im Alten Schloss in einem der Flügel ausstellt. Moeller fiel auf, nicht nur wegen seiner imposanten Erscheinung, sondern auch, weil er reden kann und das auch auf unterhaltsame Weise einzusetzen weiß. Und so kam er zu den Führungen, wobei er inzwischen genauso mühelos über Ostpreußen wie über bayerische Geschichte erzählen kann. Zahllosen Besuchern zeigte er das Gebäude, das ihm so am Herzen liegt. Er schätzt die Schlichtheit einerseits, die italienische Finesse der Renaissance andererseits. Herzog Wilhelm V. wollte sich nach Schleißheim zurückziehen, erzählt Moeller, weil er einen Hang zum Landleben hatte. Zuvor habe er sein Staatssäckel mit großen Bauprojekten wie etwa der Michaelskirche und dem Konvent überstrapaziert, "er hatte sich finanziell übernommen", sagt Moeller. Doch das Herrenhaus samt Gestüt habe gute Einnahmen erbracht. Selbst Bier und Käse wurden damals in Schleißheim produziert. "Hier hat er gezeigt, dass er als Ökonom ein fabelhaftes Wirtschaftsreich erstellen konnte."

Als erstes habe Wilhelm die Kapelle errichten lassen, denn auch religiöse Beweggründe hätten ihn in die Abgeschiedenheit der Schwaige getrieben. Aus Wilhelms Zeit stammt auch der älteste Teil des Schlosses, der Uhrenturm mit seiner Glocke aus dem Jahr 1602. Nach 1616 dann nahm Maximilian das Heft in die Hand und verwandelte das Haus in ein kleines Landschloss, das auch als Altenheim für die fürstliche Familie gedacht war. Leider wurde das Gebäude im Krieg stark zerstört, nur im Keller sind noch alte Grundmauern zu sehen, der Rest wurde nach Plänen wieder aufgebaut. Heute dient ein Teil des Hauses der Ost- und Westpreußen Stiftung für ihre Exponate, der andere Teil der ökumenischen Sammlung Gabriele Weinhold.

Moeller schwärmt mit pathetischen Gesten von der italienischen Architektur und ärgert sich, dass selbst in der Staatsbibliothek wenig über das Schloss zu finden ist. Aber er wird nicht ruhen, bis er alles zusammen hat, was er für das Buch braucht. Er ist diszipliniert. Sein Alter, das sich nicht im Kopf, wohl aber im Körper bemerkbar macht, ist er noch nicht bereit, so zu akzeptieren. Macht die Hüfte Probleme ("das kann ich nicht zulassen"), kauft er sich Gehstöcke und läuft. Sind die Finger nicht mehr in Höchstform, um auf dem weißen Klavier zu spielen, macht er tägliche Fingergymnastik. "Ich will nicht uralt werden", sagt Moeller, "aber ich will, solange ich lebe, für diese Dinge hier fit sein", sagt er und umschließt damit sein Universum.

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