Flüchtlinge:Stadt lässt Jugendamt wegen Millionenverträgen prüfen

Minderjährige Flüchtlinge

Durchschnittlich soll eine Fachkraft für 2,5 jugendliche Flüchtlinge zuständig sein.

(Foto: dpa)
  • Das Jugendamt hat mit mehreren Trägern umstrittene Verträge für die Betreuung unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge abgeschlossen.
  • Oberbürgermeister Dieter Reiter hat nun das städtische Revisionsamt eingeschaltet.
  • Es soll prüfen, ob die Verträge mit den Sozialorganisationen rechtmäßig sind.

Von Thomas Anlauf

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will Klarheit über die umstrittenen Verträge schaffen, die das Münchner Jugendamt intern mit mehreren Trägern zur Flüchtlingsbetreuung abgeschlossen hat. Am Mittwoch verständigte er den Feriensenat des Stadtrats, dass er unverzüglich das Revisionsamt eingeschaltet habe, nachdem er am Montag aus dem Urlaub zurückgekehrt sei.

Das Revisionsamt, das dem Oberbürgermeister unterstellt, aber dennoch nicht weisungsgebunden ist, soll nun prüfen, ob die Verträge mit den Sozialorganisationen überhaupt rechtmäßig sind. Sie wurden nicht dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt, obwohl es darin womöglich um Millionenbeträge zur Betreuung von unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen geht.

Zudem sehen diese Zusatzvereinbarungen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, einen doppelt so hohen Betreuungsschlüssel für die Arbeit mit jungen Asylbewerbern vor, als es bisher üblich war. Die Zahl der Flüchtlinge ist in den vergangenen Monaten dabei insgesamt deutlich zurückgegangen.

Reiter betonte, dass ihn die neue Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) am Montag über den Fall informiert habe. Sie hatte zuvor bereits eine sogenannte Innenrevision im Sozialreferat angewiesen. "Ich habe selber sofort die Problematik in dieser Angelegenheit erkannt", sagte Schiwy am Mittwoch dem Feriensenat. Es sei "wichtig", dass nun auch das städtische Revisionsamt in den Fall einsteige. Zu den Fakten könne sie derzeit jedoch nur sehr wenig sagen, sie sei selber der Sache "auf der Spur", wie die Sozialreferentin sagte, die seit 1. Juli im Amt ist.

Eine Notlage besteht nicht mehr

Die Verträge mit mehr als einem halben Dutzend Trägern hatte Markus Schön vom Jugendamt am 31. Mai unterzeichnet. Sie sehen vor, dass seit 1. Juni bis Mitte kommenden Jahres die beauftragten Organisationen durchschnittlich eine Fachkraft für statistisch gesehen 2,5 jugendliche Flüchtlinge bereitstellen. Zuvor kam ein Sozialarbeiter auf fünf junge Asylbewerber.

Diesen früheren Schlüssel von 1:5 habe auch der Stadtrat so beschlossen - "so weit ich das sehe", sagte Schiwy. Von den neuen Vereinbarungen hatte der Stadtrat erst aus der SZ erfahren. Das Revisionsamt soll nun insbesondere der Frage nachgehen, ob zwingend der Stadtrat die Zusatzvereinbarung hätte beschließen müssen.

In Notsituationen, etwa solchen wie im vergangenen September, als Zehntausende Flüchtlinge in kurzer Zeit ankamen, wäre es nach Ansicht von Experten womöglich denkbar, dass sich das Sozialreferat erst im Nachhinein eine Genehmigung vom Stadtrat einholt.

Doch eine Notlage besteht laut der Regierung von Oberbayern seit Monaten nicht mehr. Deshalb will sie auch die Flüchtlingsbetreuung und die Unterbringung Schritt für Schritt wieder von den Kommunen übernehmen, die seit vergangenem Herbst auch von den Städten und Gemeinden gemeistert wurde.

Reiter kündigte an, dass die Prüfung der umstrittenen Vorgänge im Sozialreferat möglichst schnell abgeschlossen sein und dem Stadtrat das Ergebnis bekannt gegeben werden soll. Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich sagte, die Vereinbarungen hätten "unbedingt" vor dem Vertragsabschluss vom Münchner Stadtrat diskutiert werden müssen.

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