Qualifying Spa:Motorenhamstern

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Mercedes-Pilot Nico Rosberg startet beim Rennen in den Ardennen von der Pole Position. (Foto: Valdrin Xhemaj/dpa)

Nico Rosberg kann mit seiner Pole Position zu Lewis Hamilton aufschließen. An dem Briten zeigt sich, wie unübersichtlich das Reglement geworden ist.

Von Elmar Brümmer, Spa

Kaum hat das Regelwerk der Formel 1 den Mercedes-Piloten Nico Rosberg fürs Erste (und für den Großen Preis von Belgien) von seinem größten Rivalen Lewis Hamilton befreit, taucht da schon eine neue Gefahr hinter dem Qualifikations-Schnellsten von Spa auf: Max Verstappen im Red Bull-Renault kam bis auf 0,149 Sekunden an den Deutschen heran, und steht damit als jüngster Pilot der Grand-Prix-Geschichte in der ersten Startreihe.

Im Kampf um Platz drei konnte Kimi Räikkönen sich im internen Ferrari-Duell gegen Sebastian Vettel durchsetzen, der eine bessere Platzierung in der letzten Kurve vergab. Für Rosberg ist es die 28. Pole-Position seiner Karriere, die sechste der Saison und die dritte in Folge. "Es war ein schwieriges Wochenende, aber dann hat alles gepasst. Aber es wird im Rennen definitiv nicht einfach, weil es außergewöhnlich heiß ist, das macht den Reifen zu schaffen." In der Tat lassen die drückenden Temperaturen und die launischen Pirelli-Pneus eine Menge Verschiebungen, Überraschungen und taktische Varianten für den 13. WM-Lauf erwarten. Für dieses eine Mal könnte sogar Branchenführer Mercedes Probleme bekommen.

An Hamilton zeigt sich, wie unübersichtlich das technische Reglement geworden ist

Für Nico Rosberg bietet sich die beste Chance, aus seinen 19 Punkten Rückstand auf Lewis Hamilton einen Vorsprung zu machen. Am Schicksal des Briten zeigt sich, wie unübersichtlich das technische Reglement geworden ist, und wie sehr sich die Fahrer, Strategen und das Publikum in den ausstehenden Rennen noch an drastische Strafversetzungen gewöhnen müssen. Das kann das Titelrennen entscheiden oder verzerren, je nach Standpunkt. Bei aller Dramatik am Ende der Qualifikationsstunde vom Samstag fehlte eben doch die Komponente Hamilton, der Titelverteidiger begnügte sich mit vier Einrollrunden - er wusste schon vorher, dass er um sage und schreibe 55 Startplätze zurückgestuft werden würde. Sein Glück, dass es nicht weiter nach hinten gehen kann als auf Platz 22. Fernando Alonso im McLaren und Marcus Ericsson ereilte ein ähnliches Schicksal. Die Addition der Strafplätze gilt auch nur für ein Wochenende und wird nicht übernommen.

Das klingt auf den ersten Blick natürlich absurd, aber die Erklärung ist komplizierter. Jeder Fahrer hat für die 21 WM-Läufe jeweils fünf Antriebseinheiten zur Verfügung. Ein sechster Teilewechsel ist dann der strafbare und wird mit zehn Plätzen Abzug vom Qualifikationsergebnis belegt. Aber es ist nicht so, dass die Neumotoren am Stück gezählt werden - es sind die einzelnen Hybridkomponenten, die bewertet werden: der V6-Verbrennungsmotor, Turbolader, MGU-H (Generator Turbo-Energie), MGU-K (Generator Brems-Energie), Batterie-Paket, Kontroll-Elektronik. Nach dem ersten Gebrauch einer sechsten Komponente gibt es für jede weitere zusätzlich noch mal fünf Plätze Abzug. Beim Einsatz des siebten Teils geht das Abzugsverfahren wieder von vorn los.

Für den Rest des Jahres sind alle Strafen abgegolten

Gerade in der Situation von Hamilton überlegen die Strategen natürlich, was sie wann wo und wie oft austauschen, um nicht jedes Rennwochenende zum Leidtragenden zu werden. Mercedes hatte sich dafür entschieden, Hamilton die Megastrafe auf der längsten Strecke der Saison absitzen zu lassen. Er ist das Opfer diverser Unzuverlässigkeiten an seinem Dienstwagen zu Saisonbeginn, denen er es in jedem Fall anlasten wird, wenn er seinen Titel nicht verteidigen kann.

Am Freitag wurden deshalb vor beiden Trainingssitzungen komplett neue Aggregate eingesetzt. Am Samstagvormittag kamen erneut weitere Antriebskomponenten zum Einsatz. So gezielt, dass für den Rest des Jahres alle Strafen abgegolten sind, wenn die fast noch frischen Teile eingesetzt werden. Hamstern wird also nicht nur von der Bundesregierung empfohlen.

© SZ vom 28.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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