Flüchtlinge:Dublin und Eigennutz

Der Innenmiunister will Asylsuchende wieder nach Griechenland schicken. Als ob es das letzte Jahr nicht gegeben hätte.

Von Ronen Steinke

Eine Kurzformel für deutschen Eigennutz in Europa heißt Dublin. Vor einem Jahr hat die Kanzlerin diese Ego-Praxis zumindest teilweise aufgegeben. Dass die langjährige deutsche Ignoranz in der EU-Flüchtlingspolitik ein Fehler war, hat sie gerade erst wieder eingeräumt. Umso merkwürdiger ist es nun, dass ihr Innenminister das gegenteilige Signal setzt.

Bis 2015 lief es so: Über das Mittelmeer und den Balkan kamen Zehntausende Flüchtlinge nach Europa, es herrschten katastrophale Zustände bei der Erstaufnahme in den Krisenstaaten Italien, Spanien, Griechenland - aber das wohlhabende Deutschland hielt sich fein heraus. In den sogenannten Dublin-Abkommen der EU hatten sich die Deutschen ein hübsches Privileg ausgehandelt: Für Flüchtlinge ist nur der Mitgliedstaat zuständig, in den die Ankömmlinge zuerst einen Fuß setzen. Deutschland war also praktisch nie betroffen.

Es sei an der Zeit, Flüchtlinge wieder nach Griechenland zurückzuschieben, hat jetzt Innenminister Thomas de Maizière in einem Interview angeregt. Das hieße, gegenüber Athen wieder das alte deutsche Dublin-Privileg geltend zu machen. Den Ungarn gegenüber verhalten sich die deutschen Behörden zwar auch schon entsprechend. Die Zustände in Griechenland aber sind noch immer viel schlimmer. Nicht weil die Griechen so schäbig, sondern weil sie schier überlastet sind.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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