Geschichte:Gründungsurkunde der Uni Würzburg nach 600 Jahren übersetzt

Gründungsurkunde der Universität Würzburg

Nach den Regeln moderner Schreibkunst müsste die Gründungsurkunde der Uni Würzburg komplett überarbeitet werden.

(Foto: Gunnar Bartsch)

Blumige Sprache, Sätze über 14 Zeilen - die Urkunde ist selbst in lebendigem Deutsch keine leichte Kost.

Von Anne Kostrzewa, Würzburg

Glaubt man der Gründungsurkunde der Uni Würzburg, konnte das spätmittelalterliche Leben in der Stadt süßer kaum sein. In Würzburg "herrscht ein gemäßigtes Klima, findet sich eine Fülle an Lebensmitteln und auch eine Menge an übrigen Dingen, die den menschlichen Bedarf anbelangen", heißt es in dem Schriftstück, das Papst Bonifaz IX. im Jahr 1402 ausstellen ließ. Nicht nur "das Voranschreiten der Stadt selbst" sah der Pontifex als gegeben an, ihm erschien Würzburg auch für die "Mehrung der Samen der Gelehrsamkeit (. . .) geeigneter und passender als andere Städte und Orte".

"Als Franke fühlt man sich bei diesen Formulierungen natürlich geschmeichelt", sagt Jochen Schultheiß, Latinist am Institut für Klassische Philologie. Er hat die Gründungsurkunde seiner Universität erstmals nach über 600 Jahren aus dem Lateinischen übersetzt, eine Lobpreisung seiner Stadt ist es aber nicht geworden. "Man darf nicht den Fehler machen, die blumigen Beschreibungen insbesondere auf Würzburg zu beziehen", sagt Schultheiß. Einige Formulierungen, etwa jene des angeblich in Würzburg vorzufindenden "gemäßigten Klimas", seien ihm bei seinen Recherchen nämlich immer wieder begegnet - in Gründungsurkunden anderer europäischer Universitäten.

Der Papst als Plagiator? "Die Juristen der päpstlichen Kurie brauchten hieb- und stichfeste Formulierungen", sagt Schultheiß. "Weil Erfahrungswerte mit derartigen Dokumenten fehlten, orientierten sie sich an älteren Urkunden." Die Würzburger Universität war erst die sechste, die im deutschsprachigen Raum überhaupt entstand - und in diesem die allererste auf Initiative eines geistlichen Landesherrn.

Die erste Universität im Heiligen Römischen Reich hatte der Konkurrent Ludwigs des Bayern und spätere Kaiser Karl IV. 1348 in Prag gegründet. Wien und Heidelberg bekamen ihre Universitäten auf weltliche Initiative 1365 und 1386. In Erfurt (1379) und Köln (1388) hatten Stadträte die Universitäten auf den Weg gebracht. Welches Interesse verfolgte Papst Bonifaz IX. also, als er gerade Würzburg eine Universität nach dem Vorbild Bolognas gestattete?

Zum einen sollte der geistliche Nachwuchs gefördert werden, viele Studenten waren Priester. Durch sein Einverständnis stärkte der Papst darüber hinaus seine eigene Macht, musste er sich damals doch gegen einen zweiten Papst in Avignon behaupten. Glaubt man der Urkunde, hatte er aber auch das Gemeinwohl im Sinn. Er wünsche sich, "dass das ungebildete Volk unterrichtet (. . .) und der Verstand der Menschen erleuchtet werde". Daran hatte auch Würzburgs Bischof Johann von Egloffstein Interesse, der beim Papst für die Universität geworben hatte. Egloffstein war zum Studium nach Heidelberg gegangen - er wusste also aus eigener Erfahrung um jenes Risiko, das ländliche Regionen heute als brain drain fürchten: das Abwandern der Berufseliten.

Es soll eine kommentierte Fassung geben

Die Gründungsurkunde ist auch in der deutschen Übersetzung keine leichte Kost. Einzelne Sätze überstrecken sich teils über 14 Zeilen, viele Begrifflichkeiten sind aus der Zeit gefallen. Im Universitätsarchiv, das die Übersetzung im vergangenen Winter angestoßen hat, ist man dennoch hoch erfreut, die päpstlichen Lobpreisungen endlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können. Um die Übersetzung verständlicher zu machen, soll nun eine kommentierte Fassung folgen. Nur einmal, Ende des 19. Jahrhunderts, hatte sich zuvor jemand an eine Übersetzung gewagt, diese beschränkt sich jedoch auf nur wenige Auszüge. "Lange Zeit nahm man wohl an, dass die lateinische Version ausreichen würde", vermutet Universitätsarchivar Marcus Holtz, "zumal die Urkunde auch kein Dokument ist, das ständig in Gebrauch ist."

Ihren letzten öffentlichen Auftritt hatte die Gründungsurkunde vor bald vier Jahren in der Sonderausstellung zur Universitätsgeschichte. Sonst lagert sie im Staatsarchiv - ein Glücksfall: vor allem das Universitäts- und Stadtarchiv erlitten im Zweiten Weltkrieg Verluste in ihren Beständen. Entsprechend wenig weiß man über das Leben in Würzburg um 1400. Dass die Stadt mit Lebensmitteln - vergleichsweise - gut versorgt war, wie die Urkunde beschreibt, hält der Leiter des Stadtarchivs, Axel Metz, aber für wahrscheinlich: "Der beste Transportweg war das Wasser. Über den Main konnten Händler die Stadt gut erreichen und hatten einen direkten Zugang zum Rhein." Einfache Würzburger hätten trotzdem meist nur Getreidebrei gegessen.

Die erste Universität gab den Betrieb auf

Auch über die Frühphase der jungen Universität weiß man wenig. "Die Quellenlage ist katastrophal", sagt Universitätsarchivar Holtz. Was man jedoch weiß: Ob die Würzburger Universität "auf ewige Zeiten dort blühen" würde, wie in der Urkunde erhofft, war lange unsicher. "Ihr fehlte, was eine solche Einrichtung im Mittelalter brauchte: Güter, Landbesitz und auch Geld." Unterrichtet wurde in angemieteten Domherrenhöfen und bei den Professoren daheim. "Man wusste schlichtweg noch nicht, wie man eine Universität betreibt und ausstattet." Mit dem Tod Egloffsteins begann der Niedergang der Würzburger Uni, um 1430, so vermuten die Archivare, schlief der Lehrbetrieb ein.

1582 wurde die Universität vom Fürstbischof Julius Echter wiedergegründet. Sein Geld rettete die Institution, er stattete die Bestände aus und ließ den ersten Neubau, ein wuchtiges Renaissancegebäude, errichten - in der "Alten Universität" lernen heute die Juristen. "Wichtig ist, dass diese Gründung immer im Bezug zur älteren Universität stand", betont Holtz. Denn rechtlich wurde die alte Universität nie aufgelöst.

Nur deshalb, so vermutet es Holtz, können heute etwa 28 800 junge Menschen an der Julius-Maximilians-Universität aus 245 Studiengängen wählen. "Für eine Neugründung hätte Echter die Erlaubnis des Kaisers einholen müssen", sagt Holtz. "Dieser hätte einer Volluniversität, wie wir sie heute in Würzburg haben, aber nicht zugestimmt." So konnte Echter jedoch die Urkunde von 1402 vorlegen, laut der die Lehrer und Studenten sich in jeder erlaubten Fakultät aller Privilegien, Freiheiten und Immunitäten "auf jede beliebige Art erfreuen (...) können".

Auszüge aus der Urkunde im Wortlaut

Nun hegt (. . .) der Bischof selbst den dringlichen Wunsch, dass - nicht nur zum Nutzen(. . .) der Bewohner der ihm untergebenen Länder, sondern löblicherweise auch in Berücksichtigung der (. . .) benachbarten Gegenden - (. . .) in seiner Stadt Würzburg, da sie sehr bedeutend und sehr passend und geeignet hierfür sei - in ihr herrscht ein gemäßigtes Klima, findet sich eine Fülle an Lebensmitteln und auch eine Menge an übrigen Dingen, die den menschlichen Bedarf anbelangen -, durch den apostolischen Stuhl die Errichtung einer Universität mit jeder beliebigen zulässigen Fakultät angeordnet werden solle, auf dass ebendort der Glaube selbst verbreitet werde, dass das ungebildete Volk unterrichtet werde, (. . .) die Geister erhellt und der Verstand der Menschen erleuchtet werde. Wenn wir das Vorausgehende (. . .) sorgfältig bedenken, werden wir von glühendem Begehren angetrieben, dass die vorher erwähnte Stadt mit den Sitten der Wissenschaften so geschmückt werden soll, auf dass sie Männer hervorbringe, die durch die Reife ihres Urteils berühmt, mit dem Schmuck der Tugenden bekränzt und durch die Würden verschiedener Fakultäten gebildet sind, und auf dass dort ein Quell und Ursprung der Wissenschaften sei, aus deren Fülle alle schöpfen sollen, die danach lechzen, mit den Lehren der Schriften benetzt zu werden. (. . .) Gegeben in Rom beim Heiligen Petrus, an den 4. Iden des Dezember, im 14. Jahr unseres Pontifikats [10. Dezember 1402].

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