Justiz:Eingeschränkt verhandlungsfähig

Ein früherer SS-Sanitäter, der im Konzentrationslager Auschwitz tätig war, steht wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht.

Von Hans Holzhaider

Nach zwei vergeblichen Anläufen hat am Montag vor dem Landgericht Neubrandenburg der Prozess gegen den ehemaligen SS-Sanitäter Hubert Zafke begonnen. Der 95-jährige Angeklagte wird beschuldigt, im August und September 1944 im Konzentrationslager Auschwitz Beihilfe zum Mord an mindestens 3681 Menschen geleistet zu haben. Diese Zahl basiert auf den Transportlisten von 14 Zügen, mit denen im Anklagezeitraum überwiegend jüdische Gefangene aus den Balkanländern, Frankreich, den Niederlanden, dem Baltikum und Deutschland nach Auschwitz deportiert wurden. Aus den Listen ergibt sich auch, wie viele der Deportierten unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz in den Gaskammern ermordet wurden. In einem dieser Züge wurde auch das holländische Mädchen Anne Frank mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Auschwitz deportiert.

Der Prozess gegen den 95-Jährigen war bereits zwei Mal verschoben worden

Der Prozess gegen Hubert Zafke sollte schon am 29. Februar beginnen, scheiterte jedoch zunächst am Streit der Prozessbeteiligten über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Auch ein zweiter Termin im Mai kam nicht zustande, weil das Gericht es nicht schaffte, Zafke rechtzeitig auf seine Verhandlungsfähigkeit untersuchen zu lassen. Nunmehr hat ein Amtsarzt den Angeklagten für zumindest eingeschränkt verhandlungsfähig erklärt.

Die Anklage wirft Zafke keine persönliche Beteiligung an Tötungshandlungen vor. Er habe aber als Angehöriger der SS-Sanitätsstaffel "das arbeitsteilige Lagergeschehen unterstützt", wobei ihm "der industrielle Ablauf der Massentötungen und deren Zielrichtung" bekannt gewesen seien. Zafke hatte sich in einer früheren Vernehmung damit verteidigt, dass er als "Schütze Arsch" keinerlei Einfluss auf die Ermordung von Gefangenen gehabt habe.

Die Vertreter der Nebenkläger stellten am ersten Prozesstag einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Klaus Kabisch. Ein weiterer Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft gegen Kabisch konnte nicht mehr verlesen werden, weil die Verhandlung wegen der labilen Gesundheit Zafkes unterbrochen werden musste.

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