Grundwasser:Trübe Brühe

Grundwasser: Im Wasserschloss Reisach, einem Rundbau im Quellschutzgebiet Mangfalltal südlich von München, wird das Grundwasser in einem Sammelstollen gewonnen.

Im Wasserschloss Reisach, einem Rundbau im Quellschutzgebiet Mangfalltal südlich von München, wird das Grundwasser in einem Sammelstollen gewonnen.

(Foto: SWM)

Fast ein Drittel der Grundwasservorkommen in Deutschland ist mit Nitrat verunreinigt. Die Ursache ist für die Grünen klar: die Massentierhaltung.

Von Jan Heidtmann

Das Grundwasser in Deutschland ist weitaus dreckiger als bislang vermutet. Das zeigen neue Zahlen, die das Bundesumweltministerium jetzt auf Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion veröffentlicht hat. Dabei geht es um die Verunreinigung des Grundwassers mit Nitrat, von der mehr und mehr Gebiete in Deutschland betroffen sind. Da es Jahre braucht, bis die Stoffe ins Grundwasser einsickern, ist davon auszugehen, dass die Verschmutzung weiter zunehmen wird.

Insgesamt liegen die Nitratmengen in den Grundwasservorkommen auf der Fläche von fast einem Drittel des gesamten Landes über dem Grenzwert. In Zahlen sind 104 725 Quadratkilometer betroffen, das sind 30 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands; vor fünf Jahren waren es noch 100 000 Quadratkilometer. Besonders verschmutzt sind landwirtschaftlich genutzte Gebiete, dort sind weit über die Hälfte der Grundwasservorkommen über die Maßen mit Nitrat belastet.

Deutschland verfügt über 1180 sogenannte Grundwasserkörper, das sind die Grundwasservorkommen, aus denen sich der Wasserverbrauch speist. Dem Bundesumweltministerium zufolge liegt der Anteil an Nitrat in 314 von ihnen über dem kritischen Wert von 50 Milligramm pro Liter. Nach Angaben der EU-Kommission können Anteile darüber "erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben", darunter besonders auf schwangere Frauen und Kleinkinder. Die betroffenen Gebiete sind in der gesamten Republik verteilt, von Straubing und Regensburg in Bayern über das Keuperbecken in Thüringen bis nach Sylt. Am stärksten betroffen aber sind Gegenden in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, in denen die Massentierhaltung und die Landwirtschaft besonders ausgeprägt sind.

Nitrat entsteht durch die Düngung von Äckern mit Stickstoff und sammelt sich dann im Grundwasser. Ursache für die überhöhten Werte sind zum einen die Intensivlandwirtschaft, die mit einem hohen Einsatz an Kunstdünger arbeitet. Zum anderen produziert die Massentierhaltung von Rindern, Schweinen und Geflügel eine stetig steigende Menge an Gülle, die dann auf die Äcker verbracht wird. "Die Massentierhaltung versaut uns das Grundwasser", sagt Bärbel Höhn, Bundestagsabgeordnete und Umweltexpertin der Grünen. "Immer mehr Tiere in Großställen verursachen immer mehr Gülle, die auf den Feldern entsorgt wird." Allein in Schleswig-Holstein wird der Überschuss an Stickstoff auf eine Million Tonnen pro Jahr geschätzt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium und der Deutsche Bauernverband sperren sich dagegen, den Einsatz von Gülle spürbar zu verringern. Sie sehen Deutschland als Standort für Massentierhaltung in Gefahr.

Das Problem der Grundwasserverschmutzung mit Nitrat ist seit Jahren europaweit bekannt. Deutschland ist mit am stärksten davon betroffen und verstößt damit gegen Richtlinien der Europäischen Union. Da die Bundesregierung nach Meinung der EU-Kommission zu wenig dagegen unternimmt, ist sie mehrfach ermahnt worden. Im April hat die Kommission angekündigt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Bei einer Verurteilung muss die Bundesregierung mit einer Geldstrafe in bis zu sechsstelliger Höhe pro Tag rechnen.

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