Bahamas-Leaks:Das ist das neue Leak

Bahamas-Leaks: Ein Inselstaat in der Karibik: Hier liegen die Bahamas

Ein Inselstaat in der Karibik: Hier liegen die Bahamas

(Foto: SZ-Karte)

Was unterscheidet das neue Datenleck von den Panama-Papers? Was zeigen die Dokumente?

Von Frederik Obermaier, Mauritius Much und Vanessa Wormer

Was sind die Bahamas-Leaks?

Der Süddeutschen Zeitung wurden 38 Gigabyte Daten aus dem staatlichen Unternehmensregister der Bahamas zugespielt, einer notorischen Steueroase. Die Daten betreffen 175 888 Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen, die im Zeitraum von 1990 bis 2016 auf den Bahamas gegründet wurden. Die Dokumente geben Aufschluss darüber, wer Direktor, Präsident oder Sekretär einer Bahamas-Firma ist oder war. Wie schon im Fall der Panama Papers hat die SZ die Daten mit dem ICIJ geteilt, einem internationalen Verein für investigative Journalisten. Ihm gehören weltweit etwa 200 Journalisten an, darunter vier Reporter der SZ.

Welche Namen finden sich in den Bahamas-Leaks?

Die Süddeutsche Zeitung und das ICIJ sind auf die Namen von etlichen amtierenden und ehemaligen Staats- und Regierungschefs sowie hochrangigen Politikern gestoßen. Darunter sind die Ex-EU-Kommissarin Neelie Kroes, der ehemalige kolumbianische Minenminister Carlos Caballero Argáez, der katarische Ex-Premier Hamad bin Jassim bin Jaber al-Thani und der angolanische Vize-Präsident Manuel Domingos Vicente. Sie tauchen in den Dokumenten als Direktoren, Sekretäre oder Präsidenten von bahamaischen Firmen auf. Es ist an sich nicht illegal, einer solchen Firma vorzustehen.

Brisant ist der Fall der früheren EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes dennoch: Die 75-jährige Niederländerin war den Unterlagen zufolge von 2000 bis 2009 Direktorin der Firma Mint Holdings Limited mit Sitz auf den Bahamas (ehemals: Mint Limited). Kroes war laut den Dokumenten noch während ihrer Amtszeit als EU-Wettbewerbskommissarin in den Jahren 2004 bis 2010 Direktorin der Mint Holdings Limited. Augenscheinlich hat sie damit gegen den Verhaltenskodex der EU-Kommission verstoßen (PDF). Dieser nämlich schreibt vor, dass Mitglieder des Gremiums "weder entgeltliche noch unentgeltliche Nebentätigkeiten ausüben" dürfen. Außerdem müssen frühere Tätigkeiten in einer Erklärung offengelegt werden. Kroes teilte über einen Anwalt mit, es handle sich um ein "Versehen". Sie werde die EU-Kommission darüber informieren und trage die volle Verantwortung.

Findet man diese Namen nicht im öffentlichen Firmenregister der Bahamas?

Die Bahamas besitzen ein Firmenregister, auf das man im Internet zugreifen kann. Allerdings kann man nicht nach Menschen, sondern nur nach Firmen suchen, für zehn Dollar pro Suche. Dadurch ist die Datenbank für Fahnder und Rechercheure nahezu unbrauchbar. Laut Auskunft der bahamaischen Regierung wurde die Online-Datenbank nur zum Zweck der Suche nach Firmennamen eingerichtet. Doch selbst wenn man den richtigen Unternehmensnamen weiß, sind über die Online-Suche nur in wenigen Fällen überhaupt die Namen von Direktoren oder Firmenpräsidenten zu finden. Wer beispielsweise nach der Bahamas-Firma der früheren EU-Kommissarin Neelie Kroes sucht, erfährt zwar, dass die Mint Holdings Limited noch aktiv ist und die jährlichen Gebühren bezahlt wurden. Der Name der Ex-Politikerin taucht aber nirgendwo auf der offiziellen Internetseite auf. In den Bahamas-Leaks-Daten hingegen schon.

Warum sind die Bahamas eine Steueroase?

Die Bahamas sind ein klassisches Null-Steuer-Land. Es gibt keine Einkommen-, Vermögen- oder Erbschaftsteuer. Laut der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network gehören die Bahamas zu den verschwiegensten Steueroasen der Welt. Das Land hat das Abkommen zum weltweiten automatischen Informationsaustausch unterzeichnet, legt die Daten in der Praxis aber nur ausgewählten Ländern offen. Seit 2015 stehen die Bahamas auf der schwarzen EU-Liste der Steueroasen. Nach 2000 brach die Zahl der Firmengründungen auf den Bahamas ein. Ein Grund dürfte die Abschaffung anonymer Inhaberaktien Ende 2000 sein. Wem diese Aktien gehörten, war meist nirgendwo hinterlegt. Wer alle Inhaberaktien einer bahamaischen Briefkastenfirma in der Hand hielt, also als Stück Papier, dem gehörte auch die Firma. Das war eine Einladung für Geschäfte, die spurlos ablaufen sollen.

Woher hat die SZ die Daten?

Was genau ist der Unterschied zu den Panama Papers?

Die Panama Papers bestehen aus 2,6 Terabyte interner Dokumente des Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca. Sie enthalten zahlreiche E-Mails und Verträge, die in vielen Fällen Aufschluss über den Zweck einer bestimmten Briefkastenfirma geben. Die Bahamas-Leaks-Daten sind im Vergleich viel kleiner, sie machen rund 1,5 Prozent des Panama-Papers-Bestandes aus. Es handelt sich auch nicht um Daten aus einer Offshore-Kanzlei, sondern um Informationen aus dem staatlichen Unternehmensregister der Bahamas. Aus diesem geht übrigens hervor, dass Mossack Fonseca offenbar der wichtigste Vermittler von Briefkastenfirmen auf den Bahamas ist.

Woher hat die SZ die Daten? Steckt John Doe, die anonyme Quelle der Panama-Papers, dahinter?

Aus Gründen des Informantenschutzes macht die Süddeutsche Zeitung keine Angaben zur Quelle.

Warum veröffentlicht das ICIJ einen Teil der Daten?

Das ICIJ, mit dem die SZ die Daten geteilt hat, ergänzt mit Teilen der Bahamas-Leaks eine bestehende Datenbank zu Offshore-Firmen. "Wir sehen es als Dienst an der Allgemeinheit, diese Informationen zugänglich zu machen", sagt ICIJ-Direktor Gerard Ryle. "Es gibt viele Beweise dafür, dass Schattenwelten auch Missetaten ermöglichen." Internationale Experten fordern schon seit Jahren ein weltweites Transparenz-Register, das die wahren Eigentümer von Firmen verzeichnet. Nur so würden Briefkastenfirmen unattraktiver für illegale Geschäfte und könnten die richtigen Personen im Fall von Straftaten haftbar gemacht werden. Das ICIJ veröffentlichte 2013 im Zuge der Offshore-Leaks-Enthüllungen erstmals Daten zu mehr als 100 000 Briefkastenfirmen. Im Frühjahr 2016 wurde diese Datenbank mit Informationen zu den Briefkastenfirmen aus den Panama Papers ergänzt. Mit den Bahamas-Leaks sind nun die Verbindungen von knapp 500 000 Offshore-Firmen über Webseite recherchierbar. Originaldokumente und E-Mails finden sich nicht darin.

Wird die SZ die Namen aller Personen in den Bahamas-Leaks veröffentlichen?

Die SZ wird nicht alle Namen veröffentlichen, die in den Bahamas-Leaks zu finden sind. Bei vielen Privatpersonen, die in den Daten vorkommen, fehlt ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse. Ein solches kann insbesondere dann vorliegen, wenn es einen begründeten Anfangsverdacht gibt, dass eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens eine Straftat begangen hat oder - wie offenbar im Fall der ehemaligen EU-Kommissarin Neelie Kroes - gegen andere Vorschriften verstoßen hat.

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