Umwelt:Gefährliches Geschäft mit der Gülle

Gülle in der Landwirtschaft

Ein Landwirt düngt sein Feld in Brandenburg mit Gülle. Nun sollen Bauern Buch führen, wie viel Nährstoffe sie ausbringen.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Knapp zehn Millionen Liter an Tierexkrementen sind 2015 unkontrolliert in die Umwelt geflossen - mit ernsten Folgen für das Grundwasser.

Von Jan Heidtmann

In Deutschland kommt es im Durchschnitt alle drei bis vier Tage zu einem Unglück im Umgang mit Gülle. Dabei flossen im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 9,6 Millionen Liter Jauche und Gülle unkontrolliert in die Umwelt, insgesamt wurden bundesweit 92 Unfälle registriert. Die eigentlich als Düngemittel dienende Gülle verschmutzt in hoher Konzentration Böden und Grundwasser mit Nitrat. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat diese Daten nun erstmals nach Regionen ausgewertet und eine Karte der Gülle-Havarien in Deutschland zwischen Juli 2015 und Juli 2016 erstellt.

Demnach ist Nordrhein-Westfalen besonders häufig von solchen Unfällen betroffen. Das liegt nahe, da dort wie auch in Niedersachsen die Zentren der Massentierhaltung in Deutschland liegen. Dort fällt der größte Teil der Gülle an. Nach Angaben des BUND werden Jahr für Jahr mehr als 700 Millionen Rinder, Schweine, Hühner oder Puten in der Bundesrepublik gemästet. Dabei entstehen 191 Millionen Kubikmeter Gülle, Jauche und Mist, umgerechnet knapp 200 Milliarden Kilo. Da dies weit mehr ist, als auf den nahen Äckern ausgebracht werden kann, müssen Milch- und Fleischbauern inzwischen dafür bezahlen, um die tierischen Exkremente entsorgen zu lassen.

Im niedersächsischen Großenkneten prallte ein Zug mit einem Traktor zusammen

Die Ursachen für die Havarieren reichen der BUND-Auswertung zufolge von reinen technischen Defekten bis zur illegalen Entsorgung der Gülle. So prallte im niedersächsischen Großenkneten ein Zug mit einem Traktor zusammen, der Gülle transportierte, in rheinland-pfälzischen St. Goarshausen ergossen sich durch ein Leck in einem Transporter 26 Tonnen auf die Hauptstraße; in einem Betrieb in Nordrhein-Westfalen liefen 300 000 Liter Gülle aus - angeblich unbemerkt; in Mecklenburg-Vorpommern wurden mehrere Tausend Liter illegal entsorgt. Christian Rehmer vom BUND fordert eine Transportdatenbank, um wenigstens die Gülle-Unfälle eindämmen zu können. "Es ist dringend notwendig, um zu wissen, wer von wo wie viel Gülle wohin transportiert", sagt Rehmer. "Eine solche Datenbank existiert in anderen EU-Mitgliedstaaten bereits, beispielsweise in den Niederlanden."

Gülle

SZ-Grafik; Quelle: Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland

Der Transport von Gülle, Mist und Gärresten hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Früher wurden diese Überbleibsel als Dünger direkt vor Ort verwendet. Doch mit der immer intensiveren Massentierhaltung ist der Kreislauf aus Tierzucht und Düngung überfordert. Mehr und mehr Tiere werden auf schrumpfenden Flächen gehalten, das Futter wird aus den Soja-Monokulturen in Südamerika geliefert. Hinzu kommen steigende Mengen stickstoffhaltiger Reste aus der Energieproduktion in Biogasanlagen. Durch stetig steigende Nachfrage nach Ackerland, um dort die Gülle auszubringen, zogen die Pachtpreise kräftig an.

Inzwischen sind 30 Prozent des Grundwassers mehr als zulässig mit Nitrat belastet

So hat sich rund um die Gülle ein lukrativer Geschäftszweig entwickelt. Es gibt Güllebörsen, an denen die Überschüsse gehandelt werden. Allein in Nordrhein-Westfalen haben sich mehr als 50 Unternehmen auf die Entsorgung spezialisiert. Hinzu kommen mehrere Millionen Tonnen Gülle aus den Niederlanden, die meist auf Äckern in den neuen Bundesländern ausgebracht werden. Die Landwirte, die ihre Gülle entsorgen wollen, müssen dafür um die zehn Euro pro 1000 Liter zahlen; bei größeren Betrieben kann das schnell mehrere Tausend Euro ausmachen.

Die Massentierhaltung und dadurch stetig steigende Menge an Gülle wird von Umweltschützern und den Grünen heftig kritisiert, da so Böden und Grundwasser zunehmend mit Nitrat verschmutzt werden. So hatte die Bundestagsfraktion der Grünen in der vergangenen Woche Daten präsentiert, die zeigen, dass inzwischen 30 Prozent des Grundwassers in Deutschland mehr als zulässig mit Nitrat belastet sind.

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