Feinstaub:Moos soll Stuttgarter Luft sauberer machen

Feinstaub-Alarm in Stuttgart

Stickige Stadt: Viele Autos stoßen viel mehr Schadstoffe aus als erlaubt. Stuttgart ist besonders belastet.

(Foto: Bernd Weissbrod/dpa)
  • 34 Mal in diesem Jahr überschritt Stuttgart bereits die Feinstaubobergrenze, ab dem 35. Mal droht die EU mit drastischen Strafen.
  • Verkehrsminister Winfried Hermann fordert eine "blaue Plakette", die die Normen fur Diesel verschärft.
  • Zudem sollen Moose im Stadtgebiet die Luft filtern und verbessern.

Von Josef Kelnberger

Mit ausreichend Moos lässt sich in der Politik so manches Problem lösen. Das gilt für die Stadt Stuttgart nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch ganz konkret: An einer hundert Meter langen Wand soll demnächst untersucht werden, ob Moose der Luft Feinstaub entziehen und damit helfen können, die von der EU gesetzten Grenzwerte einzuhalten. 380 000 Euro zahlt die Stadt für das Pilotprojekt, 170 000 das Land Baden-Württemberg. Jede Menge Geld, um einem Albtraum zu entgehen, der Politiker in vielen Städten Deutschlands plagt: Fahrverbote auf innerstädtischen Straßen.

Moos allein wird aber nicht reichen. "Stuttgart packt's an" lautet das Motto, wenn der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn an diesem Mittwoch die zweite Stuttgarter Feinstaubalarm-Saison eröffnet. Ein Appell an die Autofahrer: Lasst die Karre freiwillig stehen, sonst müssen wir euch zwingen. Letzte Chance!

Der Alarm wurde als grüner Spleen belächelt

Von Mitte Oktober bis Mitte April löst die Stadt bei hohen Feinstaubwerten wieder Alarm aus, wieder gibt es vergünstigte Tickets für Bus und Bahn. Vergangenes Jahr wurde der Alarm oft als grüner Spleen belächelt, der Verkehr reduzierte sich maximal um acht Prozent. Immerhin wird Porsche nun seinen Angestellten an Alarmtagen Fahrkarten bezahlen. Zeichen für einen Bewusstseinswandel in Deutschlands Feinstaub-Hauptstadt? Die CDU, Regierungspartner der Grünen in Stadt und Land, tut sich noch schwer, obwohl die Fakten für sich sprechen.

Die EU-Kommission droht der Bundesregierung mit drastischen Strafen, sollten ihre Regeln nicht bald eingehalten werden: An höchstens 35 Tagen im Jahr dürfen 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft überschritten werden. Bis Ende September wurde die Marke im Stuttgarter Kessel 34 Mal gerissen. In den letzten Jahren gab es Fortschritte, aber das Ziel ist noch nicht in Sicht. Ähnlich dramatisch ist die Stickoxid-Belastung. Wie in Düsseldorf, so hat auch in Stuttgart ein Richter angeordnet, notfalls schon 2018 Verkehrsbeschränkungen zu verhängen. Selbst der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann würde auf solch drastische Mittel gern verzichten.

Einführung einer blauen Plakette

Hermann, derzeit an einer Lungenentzündung erkrankt, will sein Konzept zur Luftreinhaltung am 11. Oktober der CDU präsentieren. Es wird vermutlich vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs die Rede sein, von E-Mobilität, bestimmt aber von der Einführung einer "blauen Plakette". Sie würde Dieselfahrzeugen strenge Abgasnormen (Euro 6) abverlangen und gilt unter Experten als Mittel der Wahl vor allem im Kampf gegen Stickoxide. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart fordert Rücksicht auf Gewerbetreibende, deutet aber an, man könne sich bei der Plakette einigen. Alles sei besser als totale Fahrverbote. Allerdings brauche Hermann dafür eine Mehrheit im Bund. Und die ist derzeit nicht in Sicht.

Hermann will diese Woche bei der Verkehrsministerkonferenz in Stuttgart für die Plakette werben, gemeinsam mit Hessen und Bremen. Doch nicht nur Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), sondern auch SPD-geführte Länder winken ab. Moderne Dieselfahrzeuge anzuschaffen, kostet Geld, und nicht überall gibt es so viel Moos wie in Baden-Württemberg.

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