Russland:Putin steht wie ein Koch am Krisenherd

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Putin in einem Naturreservat im russischen Orenburg. (Foto: dpa)

Um sein Land wieder zur globalen Macht zu machen, lässt der Kreml-Chef Krisen mal anheizen, mal abkühlen. So kommt keiner an ihm vorbei. Langfristig wird er damit aber kaum Erfolg haben.

Kommentar von Frank Nienhuysen

Jetzt werden auch noch Raketenabwehrsysteme nach Nahost verschifft: oben Bomben, unten Raketen, Russland richtet sich ein im Syrien-Krieg. Das Desaster rund um Aleppo ist kaum zu ertragen, an einer Feuerpause aber scheint das Gespann Putin/Assad derzeit kein Interesse zu haben. Weshalb nun eine neue Variante ins Spiel kommt: Während Moskau mit aller Gewalt den syrischen Diktator stützt, kokettiert Washington seinerseits auch mit einer "militärischen Option", um das Wüten zu stoppen. Stimmt also, was ein russischer Militärexperte über alle Prognosen sagt? Nehmen Sie das düsterste Szenario und es könnte sich ziemlich schnell verwirklichen - ein direktes Duell zwischen Russland und den USA.

Dagegen spricht: Russland betreibt ein zynisches Kalkül, aber es ist auch nicht lebensmüde. Der Afghanistan-Krieg gehört noch immer zu den unverarbeiteten Traumata der jüngeren Geschichte. Moskaus Außenpolitik ist schwer zu berechnen, trotzdem wägt die Regierung noch immer kühl ab zwischen Einsatz und Lohn, der herausspringen kann. Wladimir Putin weiß: Auf dem Weg zurück zur globalen Macht muss sein Land keinen Krieg gewinnen. Es reicht ihm, seinen Einfluss an den Brennpunkten der Welt zu mehren, die Regeln mitzubestimmen.

Jugoslawien, Irak, Libyen: Putin hat die Zeit nicht vergessen, in der Russlands Vetorecht und Atomwaffenarsenal stumpfe Waffen waren. Er hat daraus Konsequenzen gezogen. Wie ein Koch steht er nun am Krisenherd und dreht an den Reglern: Eine Platte setzt er runter auf Stufe zwei, und die Krise kühlt ab; auf der anderen lässt er es dafür ein bisschen stärker köcheln. So wahrt er Kontrolle über die Konflikte dieser Zeit.

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Putin kann sich den rabiaten Kurs durchaus leisten

Wie in Syrien liegt auch in der Ukraine vieles in den Händen Russlands. Eine Zeit lang beruhigt sich die Lage, dann wird es aufs Neue heiß. Nur wenn Moskau seine Machtposition in dem Konflikt nicht aufgibt, kann es verhindern, dass die Ukraine eines Tages doch der Nato beitritt. Ähnliches gilt für Moldau, das - hin- und hergerissen zwischen Ost und West - im abtrünnigen Transnistrien noch immer den massiven Einfluss Russlands im Lande spürt.

Das Dilemma des Westens ist dabei, dass Putin sich den rabiaten Kurs durchaus leisten kann. Es gibt keinen Kongress, der ihm daheim Feuer machen und ihn zu Kompromissen zwingen könnte, keine pluralistische Gesellschaft, vor der er sich rechtfertigen müsste, keine einflussreichen Medien, die unbequeme Fragen stellen würden. Im Gegenteil: Der überwiegende Teil des Landes freut sich über die Renaissance einer Großmacht, über die Woge des Patriotismus - und kompensiert so das Leid der langen Wirtschaftskrise, den Verlust des Lebensstandards.

Langfristig aber dürfte es schwer sein, weltpolitisch Präsenz und Macht zu demonstrieren, wenn daheim die Industrie kränkelt. Moskau weiß das. Aber für eine wirtschaftliche Gesundung braucht es Europa. Eines Tages könnte dies Ost und West wieder annähern. So lange aber kann in den Konfliktgebieten niemand warten.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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