Berlin:"Merke! Hass weg!"

Eine 70-jährige Sprayerin beseitigt seit Jahrzehnten Nazi-Schmierereien im öffentlichen Raum. Nun wird sie verurteilt, weil sie "Merkel muss weg!" übersprüht hat.

Von Ulrike Heidenreich

Es waren nur wenige Sprühstöße mit rosa Farbe, doch sie drehten alles um: Als Irmela Mensah-Schramm in einer Berliner Unterführung eine Anti-Merkel-Parole sah, wurde die 70-Jährige praktisch tätig: Statt "Merkel muss weg!" stand da wenig später "Merke! Hass weg! " Die Aktivistin, bekannt unter dem Namen Polit-Putze, wurde für diese Verschönerungsaktion des öffentlichen Raums nun wegen Sachbeschädigung verurteilt, zu einer Geldstrafe unter Vorbehalt.

Dass die Staatsanwältin das Verfahren nicht wegen Geringfügigkeit einstellen wollte, begründete sie vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten ernsthaft damit, dass das Graffiti durch das Übersprühen größer geworden sei - und die alte Dame keinerlei Reue zeige. Wie sollte sie auch? Mensah-Schramm geht seit 30 Jahren mit einem Jutebeutel auf Tour, darin enthalten: Ceranschaber, Nagellackentferner, Spraydosen. Sie schrubbt rassistische Parolen von Masten, übermalt Hakenkreuze. "Die gesprühten Drohungen sind gegen die Schwachen unserer Gesellschaft gerichtet", sagt sie. Dem Richter legte sie eine Liste ihrer Auszeichnungen vor - von der Bundesverdienstmedaille bis zum Göttinger Friedenspreis. Das half nur ein wenig. Falls sie innerhalb eines Jahres wieder ähnlich kreativ wird, muss sie bis zu 1800 Euro Geldstrafe zahlen. Die Gerichtssprecherin sagt, der Schuldspruch sei so milde wie möglich ausgefallen. Mensah-Schramm will in Berufung gehen.

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