"Eingriff in Autonomie":Eine-Welt-Haus wehrt sich

Eine-Welt-Haus in München, 2016

Flyer im Eine-Welt-Haus: Es sieht sich als Diskussionsplattform.

(Foto: Florian Peljak)

Durfte die Stadt erzwingen, israelkritischen Vortrag abzusagen?

Von Jakob Wetzel

Im Streit über einen abgesagten israelkritischen Vortrag im Eine-Welt-Haus (EWH) wird der Ton schärfer. In der 15-jährigen Geschichte des Hauses habe die Stadtpolitik noch nie in dieser Form in die Autonomie des Hauses eingegriffen, heißt es in einer Stellungnahme, die der Vorstand des EWH-Trägerkreises am Dienstag an das städtische Kulturreferat geschickt hat. Zugleich weist er den Vorwurf zurück, eine antisemitische Veranstaltung ins Programm genommen zu haben.

Die Stadt, der das EWH gehört, hatte am 21. September untersagt, dem Verein "Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel" Räume für einen zwei Tage später geplanten Vortrag zu überlassen. Laut Veranstaltungshinweis wollte der Publizist Abraham Melzer den "hierzulande hysterisierten Antisemitismusvorwurf problematisieren". In einem Begleittext von "Salam Shalom" ist die Rede davon, das "zionistische Projekt" wolle Palästina ethnisch säubern. Zudem wird der palästinensische Terrorismus gerechtfertigt. Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD) schrieb an das Eine-Welt-Haus, angesichts dessen liege es nahe, "dass in der Veranstaltung die Grenze zwischen Israelkritik und Antisemitismus überschritten wird". In städtischen Räumen seien "solche Agitationen nicht zulässig". Auch zwei weitere Veranstaltungsorte zogen ihre Zusagen kurzfristig zurück.

Der Trägerkreis des EWH schreibt nun, das Flugblatt enthalte zwar harsche Kritik an Israel, aber keinerlei Passagen, die eine "Vorverurteilung" als antisemitisch rechtfertigen würden. Außerdem hätten weder der veranstaltende Verein "Salam Shalom" noch das EWH im Vorfeld Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhalten, das aber wäre "nach demokratischen Spielregeln" angesagt gewesen. Für den Vorstand des Trägerkreises drängt sich vielmehr der Eindruck auf, im Hintergrund würden Lobby-Gruppen ihre Anliegen vorbringen und "möglicherweise" Druck machen. Das Haus selbst sei sich seiner Verantwortung bewusst; aber wenn es als "Diskussionsplattform für einen kritischen und gewaltfreien Diskurs zu welt- und lokalpolitischen Themen" dienen solle, müsse auch offen diskutiert werden können.

Kulturreferent Hans-Georg Küppers, der Adressat der Stellungnahme, war für eine Reaktion kurzfristig nicht zu erreichen.

Ergänzend zu unserer Berichterstattung in "Eine-Welt-Haus wehrt sich" (12. Oktober, München) legt Jürgen Jung, stellvertretender Vorsitzender des Vereins "Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel", Wert darauf, dass sein Einladungstext zur geplanten und dann abgesagten Veranstaltung den palästinensischen Terrorismus nicht "rechtfertige", sondern lediglich im Ansatz zu erklären versuche. In jener Einladung hieß es, die Palästinenser erlebten seit über 100 Jahren die leidvollen Auswirkungen des zionistischen Siedlerkolonialismus, "dessen Endziel im Grunde immer noch 'ganz Palästina als jüdischer Staat' ist (Ben Gurion 1947)." Und wörtlich weiter: "Dass sich die Palästinenser gegen die zionistische Landnahme zur Wehr setzen, kann da nicht verwundern. In dieser verzweifelten Situation des Kampfes mit dem Rücken zur Wand gegen eine der stärksten Militärmächte der Welt liegt auch der Grund für den palästinensischen Terrorismus, nach dessen Ursachen hierzulande allerdings kaum je gefragt wird." Am Ende zitiert Jung den 2004 verstorbenen Schauspieler Peter Ustinov: "Terror ist der Krieg der Armen, Krieg der Terror der Reichen." Ustinov hatte diesen Ausspruch in einem Interview 2003 als Plädoyer gegen den Irakkrieg getätigt.

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