Berliner Flughafen:Die zweite Chance

Presserundgang Baustelle Hauptstadtflughafen BER

Noch nicht einmal in Betrieb und schon eine Sehenswürdigkeit: Ein Terminal des neuen Berliner Flughafens BER.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Tausenden Fehlplanungen und totalem Bau-Chaos zum Trotz: Der Chef des neuen Berliner Flughafens ist optimistisch, das Pannen-Projekt in gut einem Jahr endlich in Betrieb nehmen zu können. Nach der Eröffnung wird aber weiter gebaut.

Von Jens Schneider, Berlin

"Hören Sie dieses Rauschen?", fragt Jörg Marks und macht einen Moment Pause, damit die Besucher das Geräusch wahrnehmen können. Wenn dieser Flughafen mal fertig sein wird, ist dies ein Rauschen, das sich die Chefs niemals wünschen werden. Es ist die Entrauchungsanlage für den Brandfall. Aber jetzt ist es ein gutes Zeichen, das für einen Fortschritt steht, an den manche Kritiker schon nicht mehr glauben wollten, die meinten, dass sie niemals fertig wird, der neue Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld am Rande von Berlin, Deutschlands ewige Baustelle.

"Hier wird die Entrauchungsanlage in diesem Bereich getestet", erklärt Marks, der Technikchef auf der Baustelle. Entrauchungsanlage, das ist ein Schlüsselwort auf der Baustelle, auf der so unfassbar viel schiefgelaufen ist. Weil die Entrauchungsanlage nicht funktionierte musste vor mehr als vier Jahren die Eröffnung abgesagt werden. Irgendwann wurde bekannt, dass die Anlage komplett umgebaut werden muss, nun laufen Tests und Inbetriebnahmen von Teilbereichen.

An diesem Mittwoch führt Flughafen-Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld zusammen mit seinem Technikchef durch das Fluggastterminal, und es ist im Grunde ein Paradoxon, das als Zeichen der Hoffnung gilt. Es sieht jetzt richtig nach einer Baustelle aus in Schönefeld, da stehen Gerüste in den Gängen, Handwerker sind bei der Montage von Abdeckplatten zu beobachten. "Es sieht an manchen Stellen viel mehr nach einer Baustelle aus als 2012", sagt Mühlenfeld. Damals, als die feierliche Eröffnung im letzten Moment abgesagt wurde, hatten diese Hallen etwas Unwirkliches: Alles sah fertig aus, als könnte in wenigen Stunden der erste Jet starten.

Es war reine Fassade. Von Abertausenden Fehlplanungen und groteskem Bau-Chaos berichtet Technik-Chef Marks, wenn er durch die Hallen und Gänge führt. Marks hat das Projekt vor gut zwei Jahren übernommen, als der Bau ein einziges Debakel war. Sein Vorgänger war gerade wegen Korruption gefeuert worden, auf der Baustelle ging nichts voran. Unter Marks wurde der Bau neu aufgestellt, von einer "Sanierung im Bestand" spricht er, so eine Bestandssanierung sei aufwendiger als ein Neubau, mit vielen unschönen Überraschungen. "Es war wie bei einem Weihnachtskalender", sagt Marks, was heißen soll, dass er und seine Leute nie recht wussten, was hinter einer Tür an Problemen auf sie warten mochte. "Sie kommen morgens zur Arbeit, und da sagt wieder einer: Ich hab da noch was." Ein Adventskalender hat 24 Türchen, dann ist es genug mit den Überraschungen, der BER hat Hunderte Türen, fast jeder Raum barg Überraschungen.

Bis 2012 bauten Firmen oft nebeneinander her, was zu absurden Ergebnissen führte

Das Kernproblem der Baustelle war, dass seit der ersten Planung chaotisch immer neue Ebenen eingezogen wurden, weil der Flughafen größer werden sollte als ursprünglich geplant, viel größer. Berlin boomt, die Besucherzahlen steigen Jahr für Jahr. Also wurden "90 000 Bruttoquadratmeter an Fläche reingeschoben, ohne die äußere Hülle zu verändern", erklärt Marks. 1200 Räume seien zusätzlich in die Gebäude des Flughafens eingebaut worden, ohne dass die Entrauchungsanlage oder die Kanäle für die gigantischen Kabelanlagen dafür angelegt gewesen wären. 850 Räume mussten zusätzlich an die Entrauchungsanlage angeschlossen werden.

Bis 2012 bauten Firmen oft nebeneinanderher, was zu absurden Ergebnissen führte. Zum Beispiel die Sache mit den Rauchmeldern: Etwa 3000 waren gewissermaßen verschwunden, versteckt hinter Decken, die darüber eingebaut wurden. Die musste man freilegen, vielleicht neu verlegen, die Decke wieder schließen - vorher aber alles so anlegen, dass die Behörden es auch genehmigen können. Von einer "nachträglichen Planung" spricht der Technikchef, der mit seinem Team nun langsam auf das Finale zusteuert.

Allein im Hauptgebäude wurden 6000 Kilometer Kabel neu verlegt, die nicht den Vorschriften entsprochen hatten. Die neue Entrauchungsanlage soll bald fertig sein, ein Meilenstein. In der vergangenen Woche genehmigte das Bauamt die Anlage, an der vor vier Jahren alles scheiterte. Nun braucht er noch die Genehmigung für den sogenannten 6. Nachtrag, der "wie ein bunter Blumenstrauß", so Marks, alles umfasst, was noch genehmigt werden muss. Geht der durch, hofft er, Anfang nächsten Jahres mit dem Bau fertig zu sein. Abnahmen und Inbetriebnahme könnten beginnen. Dann könnte Flughafenchef Mühlenfeld wohl sagen, wann eröffnet wird. "Wir glauben, dass wir noch eine Chance haben, es 2017 zu schaffen", sagt er.

Der November ist das Ziel, dann soll das peinliche Kapitel BER beendet sein. Aber es wird weiter gebaut werden, viele Jahre lang. Über die nächsten Jahre muss noch der neue Regierungsflughafen entstehen - und der BER wachsen: Der neue Flughafen wird mit seiner Kapazität von anfangs 22 und maximal 27 Millionen Passagieren schon zur Eröffnung zu klein sein, 30 Millionen kamen allein im vorigen Jahr, immer mehr Besucher streben nach Berlin. Der alte DDR-Flughafen wird deshalb für den Übergang weiter ertüchtigt, für die Zeit bis 2040 an einem Konzept gearbeitet. Mühlenfeld warnt vor: "Ein Flughafen ist nie fertig", in Schönefeld gilt das besonders.

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