Volksfest:Die Auer Dult ist die bessere Wiesn - oder?

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Schon mal von einem mobilen Sicherheitszaun rund um den Mariahilfplatz gehört? Natürlich nicht. Allerdings von einem Dult-Hit ebenso wenig. Ein Vergleich in zehn Punkten.

Von Franz Kotteder

Manche bezeichnen sie als "die Wiesn des kleinen Mannes", andere als letztes wirkliches Volksfest in der Stadt: die Auer Dult. An diesem Samstag beginnt sie wieder, neun Tage lang wird auf dem Mariahilfplatz gefeiert. Schon wieder ein Volksfest, keine 14 Tage nach dem Ende des Oktoberfests? Lohnt sich nach dem Wiesnspektakel da noch ein Besuch? Ein Vergleich in zehn Kapiteln.

1. Geschichte und Ort

Klarer Vorteil für die Dult: Das Oktoberfest ist lächerliche 206 Jahre alt und fand zu Beginn weit draußen vor den Toren Münchens statt. Die Dult hingegen geht in ihren Anfängen bis ins Jahr 1310 zurück, damals wurde sie noch auf dem Anger, dem heutigen St.-Jakobs-Platz, abgehalten. 1791 zog sie in die Kaufinger- und Neuhauser Straße um, und seit 1796 gibt es auch die Dulten in der Au. Die Wiesn hat entschieden mehr Fläche, dafür wird der Mariahilfplatz öfter genutzt, nämlich dreimal jährlich. Das möchte man sich beim Oktoberfest nicht wünschen - schon allein deshalb, weil die Theresienwiese dann praktisch ganzjährig gesperrt wäre, wenn die Wiesn jedes Jahr dreimal auf- und abgebaut würde.

2. Eröffnungsritual

Hier bietet das Oktoberfest eindeutig das prächtigere Spektakel, mit dem Einzug der Wiesnwirte, dem Anzapfen um Schlag zwölf Uhr und dem Trachten- und Schützenzug am ersten Sonntag. Von den drei Dulten leistet sich überhaupt nur die erste im Mai so etwas wie eine Eröffnung. Dazu tritt ein Trachtenverein mit einem Gastverein aus einem europäischen Land auf, Bürgermeister Josef Schmid (CSU) lässt Luftballons steigen und darf danach eher verschämt ein kleines Fass anzapfen, was die Weltpresse aber trotz tadelloser Ausführung überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt.

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"Rosenkränze, Lebzelten und Kämme" ist der Titel einer VHS-Führung von Heinrich Ortner und Karin Ostberg an diesem Mittwoch, 15 Uhr, über die Auer Dult

3. Zelte und die Wirte

Zelte und Wiesnwirte gibt es auch auf der Auer Dult, allerdings sind die einen wesentlich kleiner und die anderen verdienen nicht ganz so gut wie auf der Wiesn. Das wichtigste Zelt ist die Fischer-Vroni von Hans Stadtmüller, nur ist es hier wesentlich kleiner und spartanischer als auf dem Oktoberfest. Zu den kulinarischen Top-Gerichten auf der Dult zählt seit jeher der Steckerlfisch, deshalb ist die Fischer-Vroni so etwas wie das Käferzelt der Dult, nur mit viel bodenständigerem Publikum. Wer hier einen Platz findet, gehört auf jeden Fall zur Upper Class der Au, denn das Zelt ist fast immer gut gefüllt. Stadtmüllers Wiesnwirte-Kollegen Heinz Heilmaier und Max Feisinger sind ebenfalls auf der Dult vertreten. Heilmaier hat dort seine Wurst- und Hühnerbraterei mit Biergarten stehen, Feisinger seine Käse- und Weinstuben rechts vom Kinderkarussell. Er ist damit gewissermaßen das Pendant zu Kufflers Weinzelt, hat aber den Vorteil, dass bei ihm weder Patrick Lindner noch Costa Cordalis einkehren.

4. Stimmung

Gut, von einem Dult-Hit hat man in der Au noch nie etwas gehört, was auch daran liegen mag, dass es hier keine Bierzeltkapellen gibt. Gäbe es sie, so lägen die Hits, was Altersstruktur und Promillespiegel des Publikums angeht, wohl irgendwo zwischen "Oide, schau mi net so deppert o" von den Drei lustigen Moosachern und "Ham kummst" von Seiler und Speer. Überhaupt ist die Stimmung auf der Dult eher kontemplativ als ausgelassen. Würde man es wagen, auf die Bank zu steigen, würde man vermutlich sofort vom Dorfpolizisten aus dem Kasperltheater festgenommen und in den Kerker verbracht.

5. Sicherheitslage

Die Auer Dult braucht weder Zäune noch Einlasskontrollen und Hunderte Ordner aus Sachsen oder Meckpomm. Was allerdings nicht heißen muss, dass man sich hier alles erlauben kann. Wer einem der leider nur noch wenigen Ureinwohner aus der Au oder dem benachbarten Giesing nämlich dumm kommt, läuft leicht einmal Gefahr, einen Masskrug aufgesetzt zu bekommen. Und damit ist keineswegs einer der flauschig-filzigen Deppenhüte vom Oktoberfest gemeint. Trotzdem werden - anders als bei der Wiesn - von der Polizei keine Statistiken über Masskrugschlägereien erhoben. Dennoch sollte man wachsam sein. Die Ankündigung: "Jetzt fangst fei glei oane!" etwa besagt keineswegs, dass man den Gesprächspartner für besonders gewandt in Geschicklichkeitsspielen oder für erfolgsverwöhnt beim Flirten hält.

6. Warenangebot

Auch wenn bei der Wiesn deutlich mehr umgesetzt wird: Vom Warenangebot her kann sie mit der Auer Dult in keiner Weise mithalten. Mandeln, Zuckerwatte, Lebkuchenherzl gibt es hier wie dort, die Hendlmütze vermisst auf der Dult niemand. Hier kann es einem eher passieren, dass man ein Vermögen beim "Billigen Jakob" lässt oder mit einem funkelnagelneuen Gemüsehobel, der angeblich auf Weltraumtechnologie basiert, nach Hause kommt. Oder daheim verzweifelt nach einer Einsatzmöglichkeit sucht für den konkurrenzlos günstigen Staubwedel mit Teleskoparm. Nicht zu vergessen die zahllosen Antiquitäten, deren besonderer Reiz sich erst im Verkaufsgespräch so recht erschließt. Denn was der normale Auer unter dem Sammelbegriff "Zeugs und Glump" zusammenfasst, sind in Wirklichkeit natürlich Kleinodien, die beinahe jeden Preis wert sind.

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7. Preise

In dieser Hinsicht stimmt der Satz von der "Wiesn des kleinen Mannes" auf jeden Fall. Wer mit der erweiterten Familie auf die Auer Dult geht, wird keine halbe Monatsmiete los, wie das beim Oktoberfest inzwischen normal ist. Es gilt zwar auch am Mariahilfplatz der Grundsatz: "Wer sparen will, gehe zur Sparkasse, aber nicht aufs Volksfest." Trotzdem kommt man auf der Dult recht günstig weg: 3,90 Euro für die Halbe von Augustiner und 8,80 Euro für die Mass Paulaner sind für Münchner Verhältnisse sehr in Ordnung.

8. Fahrgeschäfte

Wo das Oktoberfest mit Überfülle protzt, setzt die Dult auf weise Beschränkung: weniger ist mehr. Und im Grunde ist man mit einem Autoscooter, einem Kinderkarussell und dem Wellenflug-Kettenkarusell doch umfassend bedient. Das "Russenrad" wirkt zwar von seiner Größe her bescheiden, hat es aber in sich wegen der Geschwindigkeit, die es erreicht. Der eine oder andere Dult-Besucher hat so gelernt, dass es gar keinen "Skyfall" braucht, um die gerade eben verspeisten Hendl samt dreier Mass Bier gleich wieder zu verlieren.

9. Kindertauglichkeit

Die Auer Dulten sind im Vergleich zur Wiesn das ideale Ausflugsziel für sogenannte "Tiefläufer", also Kinder bis hin zur Einmetergrenze. Erstens können sie hier kaum verloren gehen, und zweitens sind sie in Trollmanns herrlich altmodischem Kasperltheater oder im Karussell gut beschäftigt. Die Ponyreitbahn am westlichen Ende erfüllt gleich mehrere Funktionen: Die einen Eltern bringen ihren Kleinen damit die Tierwelt nahe, die anderen bringen dem Nachwuchs damit bei, was ihrer Ansicht nach Tierquälerei ist.

10. Besucher

Nachdem die Münchner seit mindestens 40 Jahren beständig granteln, dass die Wiesn nicht mehr so gemütlich ist, wie sie früher einmal war, müsste die Auer Dult eigentlich komplett überlaufen sein. Denn sie ist noch genau so gemütlich, wie das Oktoberfest niemals gewesen ist. Tatsächlich kommt die Dult bei dreimal neun Tagen auf rund 300 000 Besucher im Jahr, was doch deutlich weniger ist als die 5,6 Millionen Gäste, auf die es das Oktoberfest heuer an 17 Tagen brachte. Die Dulten haben eben kein mittleres Wochenende, mit dem man die Italiener locken könnte, und für die Neuseeländer und Australier reichen vermutlich die Bierlagerkapazitäten nicht aus.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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