Literaturnobelpreis für Bob Dylan:"Ein Nobelpreisträger, den man nicht erst verschämt googeln muss"

Ein Musiker erhält den wichtigsten Literaturpreis der Welt - für Literaturkritiker Denis Scheck ein "Späßken" der Akademie. Bob Dylans Fans feiern den Künstler als Chuck Norris der Musik.

Ein Musiker gewinnt den wichtigsten Preis, den es für Literatur gibt! Eine Überraschung ist das allemal - mancher zweifelt gar, ob die Entscheidung der Nobel-Akademie in Stockholm ernst gemeint sein kann.

Auf die Frage, wie er die Entscheidung bewerte, sagte der deutsche Literaturkritiker Denis Scheck: "Gelegentlich erlaubt sich die Akademie ein 'Späßken'." Und weiter: "Die Auszeichnung von Bob Dylan ist genauso ein Witz wie es die von Dario Fo war. Am besten, man lacht mit." Damit spielt der 51-Jährige auf den Tod des großen italienischen Theaterdramaturgen und Schauspielers an, der kurz vor der Entscheidung über den Literaturnobelpreis bekannt geworden war. Ob Scheck seine Aussage als Kompliment meint?

Eindeutig kritisch äußert sich der britische Schriftsteller Irvine Welsh ("Trainspotting"): "Ich bin ein Dylan-Fan, aber dies ist ein schlecht durchdachter Nostalgie-Preis, herausgerissen aus den ranzigen Prostatas seniler, sabbernder Hippies." Auch der rumänische Autor Mircea Cartarescu kann die Entscheidung bei allem Respekt vor Dylan nicht nachvollziehen, auf seiner Facebook-Seite schreibt er: "Es tut mir so leid um die wahren Schriftsteller, Adonis, Ngugi, DeLillo und weitere 2-3, die den Preis beinahe in der Tasche hatten."

Vor allem aber gibt es Ehrerbietung für Dylan in den sozialen Medien. Für seine Fans hat der amerikanische Songschreiber nun endgültig den Status als Chuck Norris der Musik.

Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel bekennt sich als Dylan-Anhänger - mit einer, nun ja, anrührenden Anekdote.

Ein Überraschungssieger lässt enttäuschte Nicht-Gewinner zurück, das liegt in der Natur der Sache. Twitternutzerin Anousch weiß Rat - einfach mal ungewöhnliche Wege gehen.

Andere freuen sich einfach, dass sie endlich auch mitreden können beim Hochkulturthema Literatur. Wobei sich beim stets gut informierten Journalisten Timo Lokoschat wiederum die Frage stellt: Ernst oder Späßken?

Wobei, weiß die Generation Snapchat überhaupt, wer da geehrt wurde? Lieder wie "Knockin' on Heaven's Door" (1973) sind schließlich schon seit Jahrzehnten Klassiker, was in unverdienter Konsequenz bedeutet: Sie laufen im Radio vor allem bei Oldies-Sendern.

Mancher überlegt, was die Entscheidung für einen Musiker als Literaturnobelpreisträger für die Zukunft dieser prestigeträchtigen Auszeichnung bedeutet, und kommt zum Schluss: im Zweifelsfall nix Gutes.

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