Geothermie:Tief gekühlt

Erdwärme-Sonden kühlen das Grundwasser merklich ab - besonders, wenn sie dicht an dicht gebaut werden. Die Kühlung kann unter Umständen Probleme bereiten - den Nachbarn ebenso wie den Bodenorganismen.

Von Marius Hasenheit

Geothermie kann sehr praktisch sein: Das Eigenheim lässt sich mit der Wärme aus dem Boden heizen, große Fabrikhallen können energiesparend und klimaschonend gekühlt werden. In vielen Fällen lohnt sich das - 333 000 Anlagen gibt es in Deutschland inzwischen.

Doch was passiert eigentlich, wenn dem Boden dauerhaft Energie entzogen oder hinzugeführt wird? Die Umweltwissenschaftler Thomas Vienken, Falk Händel und Peter Dietrich vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung haben die Auswirkungen solcher Eingriffe in den Untergrund mit Kollegen aus Basel, Tübingen und Dresden untersucht (Groundwater, Bd. 53, S. 356).

Bei ihren Messungen in einem Kölner Wohngebiet stellten sie eine Grundwasserabkühlung von 0,5 bis 0,6 Grad Celsius aufgrund von Erdwärmesonden fest. Das klingt nach wenig, jedoch ist es erstaunlich, dass bereits ein paar kleine Anlagen einen solchen Effekt haben. "Unserer Meinung nach handelt es sich in dem Beispiel um eine lokale Abkühlung des gesamten Grundwasserleiters", sagt Thomas Vienken. Daher sei die Temperaturabnahme schon relevant, zumal dort erst seit wenigen Jahren Geothermie genutzt werde.

Die Abkühlung könnte nicht nur benachbarte Erdwärmenutzer ärgern, deren Anlagen wegen des kühleren Wassers nicht die erhoffte Leistung bringen, sondern auch Chemie und Organismen im Boden beeinflussen. Werden Erdwärmesonden auf zu kleinem Raum geplant, kann der Boden sogar gefrieren. Andere Risiken sind Lecks oder hydraulische Kurzschlüsse zwischen getrennten Grundwasserstockwerken, welche beim Bohren entstehen können. Schadstoffe, etwa Pestizide, könnten dann leichter in tiefe Bodenschichten dringen.

In der Stadt ist der Boden ohnehin meist zu warm. Mit Klimaanlagen könnte es aber Probleme geben

Einen unter Druck stehenden Grundwasserleiter anzubohren oder gar ein Minibeben auszulösen, ist dagegen bei der in Deutschland am häufigsten genutzten oberflächennahen Geothermie unwahrscheinlich. Maximal 400 Meter tief wird dabei gebohrt, oft sind es nur 100 Meter; flache Erdwärmekollektoren werden direkt unter der Oberfläche verlegt.

"Nicht nur Abkühlung, Lecks oder hydraulische Kurzschlüsse müssen diskutiert werden, sondern auch, wie die Anlagen eigentlich modernisiert oder zurückgebaut werden sollen", bemerkt R. Andreas Kraemer, Gründer des Umwelt-Thinktanks Ecologic Institute. Als Standorte eigneten sich vor allem Ballungsräume: Dort ist das Grundwasser ohnehin erwärmt - durch die aufgeheizte Stadtluft, Abwasserkanäle, Fernwärmeleitungen und Bauwerke. Wenn dann Wärme entnommen wird, könnte das sogar nützlich sein. Andererseits: Werden viele Gebäude im Sommer gekühlt, indem man Wärme in den Boden leitet, könnte das die Aufheizung des städtischen Grundwassers noch verstärken.

Bisher wird Geothermie überall gefördert, schließlich ist sie im Vergleich zur elektrischen Kühlung oder zu Öl- oder Gasheizungen sehr klimafreundlich. Viele Wissenschaftler und Umweltverbände fordern längst eine "Wärmewende", um die deutschen Klimaziele noch zu erreichen. Im Gegensatz zur Energiewende ist diese Wärmewende jedoch noch nicht sehr weit gekommen: Gerade mal 13 Prozent des Energieverbrauchs für Wärme und Kälte entfällt auf erneuerbare Energien, Geothermie macht davon weniger als ein Zehntel aus.

Um Geothermie ohne größere Umweltrisiken voranzubringen, schlagen Vienken und seine Kollegen eine koordinierte Erschließung vor. Ein Wärmemanagement sollte dabei die unterschiedlichen Anforderungen aufeinander abstimmen und die örtlichen Grundwasser-Voraussetzungen im Blick behalten.

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