Bots in sozialen Netzwerken:Maschinen machen Meinung

Social Bots

Social Bots füttern soziale Medien automatisch mit Inhalten - mit Crowdspeaking können Menschen ihre Netzprofile zur Informationsverbreitung synchronisieren.

Mit automatisierten Bots will die AfD im Wahlkampf das Netz fluten. Allerdings funktioniert dieser Ansatz bisher nur nach dem Prinzip Schrotflinte.

Von Michael Moorstedt

Zu den vielen Aufregerthemen, die vergangene Woche im und über das Netz kursierten, gehörte unter anderem die Ankündigung der AfD, im kommenden Bundestagswahlkampf auch sogenannte Social Bots im Internet einzusetzen. Also Social-Media-Accounts, die von Software gesteuert sind und selbständig Botschaften im Sinne des Anwenders absenden.

In Deutschland haben sich alle anderen Parteien von der automatisierten Meinungsmache distanziert. Im US-Präsidentschaftswahlkampf kann man dagegen gerade gut sehen, wie sich der exzessive Einsatz von Bots auf das politische Binnenklima im Netz auswirkt. Das Forschungsprojekt "Political Bots" analysierte nach den TV-Duellen der beiden Kandidaten den Datenverkehr auf Twitter - insgesamt beinahe zweieinhalb Millionen Botschaften - und kam zu dem Schluss, dass knapp ein Drittel aller Pro-Trump-Tweets von automatisierten Nutzerkonten stammte. Bei Hillary Clinton war es immerhin noch etwas mehr als ein Fünftel. Dass die Qualität der Beiträge dabei nicht unbedingt zunimmt, versteht sich.

"Thunderclap" verbreitet Meinungen ohne Bots weiter

Auch der Nutzen maschineller Kampagnen ist keinesfalls garantiert. Schließlich sind die automatisch erstellten Profile für jeden halbwegs kompetenten User leicht als solche zu erkennen. Sie folgen etwa wesentlich mehr anderen Nutzern, als sie selbst Follower haben, sie wiederholen sich permanent oder sie benutzen übertrieben viele Hashtags. Der massenhafte Einsatz von Bots ist wie ein Schuss aus der diskursiven Schrotflinte. Streuung garantiert, Resonanz eher zweifelhaft.

Es gibt selbstverständlich noch andere Methoden, um dem eigenen Anliegen im Internet Gehör zu verschaffen. Eine der subtileren von ihnen betreibt die Plattform "Thunderclap" (etwa: Donnerschlag). "Crowdspeaking" nennen die Betreiber ihren Ansatz selbst. Anstatt also die Kapitalsuche oder die Arbeit an die Masse im Netz auszulagern - so wie bei den bekannten Konzepten Crowdfunding und Crowdsourcing -, geht es darum, die eigene Stimme und Meinung zu verstärken. Nur sorgen dafür eben keine Bots, sondern echte Menschen mit glaubwürdigen Profilen.

Jeder kann mit seinem Anliegen auf der Plattform vorstellig werden. Wenn nun ein Besucher eine der Kampagnen unterstützenswert findet, übergibt er Thunderclap den Zugang zu seinem Twitter- oder Facebook-Konto. In einer Art Social-Media-Urschrei wird dann zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt von allen beteiligten Accounts die gleiche Botschaft an deren jeweiligen sozialen Zirkel gesendet. Viralität auf Knopfdruck. Seit dem Start der Plattform seien so schon dreieinhalb Milliarden Menschen erreicht worden. Und mehr als drei Millionen Nutzer hätten ihre Social-Media-Reichweite zur Verfügung gestellt.

Schon längst haben nicht nur Aktivisten und NGOs Thunderclap für sich entdeckt, sondern auch die üblichen PR-Leute. Und die Betreiber der Plattform sind bei der Auswahl der Anliegen nicht gerade kleinlich. Es wirkt, als könnte so gut wie jeder mitmachen. Momentan kurz vor Vollendung ihrer Kampagne stehen etwa ein Aufklärungsprojekt über Epilepsie, die E-Book-Version eines Selbsthilfeschmökers oder auch die Vermisstenmeldung nach einem entlaufenen Hund. Wo immer er ist: Er hat mittlerweile sogar einen eigenen Hashtag.

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