Kinofestival - Geschichte:Begehren im Mondenschein

Ein Rückblick auf 50 Jahre Hofer Filmtage

Von Josef Grübl, Hof

Am Anfang war nicht das Wort, sondern ein Notstand: Weil er kein Münchner Kino fand, das seine Kurzfilme und die seiner Mitstreiter zeigen wollte, zog es den Jungfilmer Heinz Badewitz ins Zonenrandgebiet. Genauer gesagt in seine Heimatstadt Hof, damals nur wenige Kilometer entfernt von der DDR und der Tschechoslowakei. An einem Sonntag im Mai 1967 fand dort im Regina-Filmtheater das nach Eigenauskunft "kleinste Filmfestival der Welt" statt, gezeigt wurden neun Kurzfilme, nach zweieinhalb Stunden war der Spaß vorbei. Im Jahr darauf war man deutlich selbstbewusster: "Hof, das steht für Home of Films", behauptete ein Münchner Filmstudent, der später Weltkarriere machen sollte. Wim Wenders' Spruch schmeichelte den Oberfranken, sie drucken ihn seitdem jedes Jahr auf ihre Plakate.

Nicht jeder fühlte sich hier zuhause, ausgerechnet der Hofer Roland Klick erfuhr 1983 für seinen mit Dennis Hopper prominent besetzten "White Star" wenig Gegenliebe, danach zeigte er nie wieder einen Film in Hof. Die meisten Besucher fühlen sich aber wohl in der 45 000-Einwohner-Stadt. Würden sich Kritiker und Publikum nicht regelmäßig über misslungene Filme beklagen, man hielte es vor Freundlichkeit kaum aus. In der Anfangszeit der Filmtage kam es durchaus vor, dass während Vorstellungen "Aufhören" gebrüllt wurde, am Bratwurststand vorm Kino lässt sich bis heute trefflich über schlechte Kritiken streiten. Die Regisseure kommen trotzdem, in beinahe jeder deutschen Filmbiografie stößt man irgendwann auf die Hofer Filmtage. Werner Herzog kam ebenso wie Dominik Graf, Hans-Christian Schmid, Maren Ade, Michael Verhoeven, Christoph Schlingensief oder Detlev Buck. Doris Dörrie und Caroline Link arbeiteten während des Studiums als Gästebetreuerinnen, später debütierten sie mit ihren Filmen auf dem Festival. "Hof war immer ein Festival, auf dem man sich geliebt und aufgehoben gefühlt hat, ohne den Druck, den andere Festivals mit sich bringen", sagt die Regisseurin Julia von Heinz. Am liebsten hätte sie Festivalchef Badewitz adoptiert, wenngleich auch eher wegen der daraus resultierenden Namensänderung ("Heinz von Heinz blieb unser Running Gag").

Umso größer war der Schock der Filmgemeinde, als Heinz Badewitz vor einem halben Jahr überraschend verstarb. Er hielt Kontakt zu den Filmemachern, schaute sich an Hochschulen nach den Talenten von morgen um und reiste auf Festivals. Dort sah er auch, wie sich andere Filmfestmacher verzettelten, mit immer neuen Reihen, Preisen, PR-Terminen und Sponsorenveranstaltungen. In Hof sollte es nur um die Filme gehen, das war Badewitz' Erfolgsrezept: "Die sechs Tage sind optimal, die Leute bleiben vom Anfang bis zum Schluss", erzählte er vor vier Jahren bei einem Treffen im Münchner Stadtcafé. Er sagte auch: "In kleineren Orten funktionieren Festivals besser, weil sich die Leute immer wieder über den Weg laufen." Dass sie sich so wohl fühlen, liegt auch daran, dass es keinen Wettbewerb gibt und folglich auch keinen Konkurrenzdruck. So lernt man sich doch gleich viel besser kennen, näher als einem manchmal vielleicht lieb ist. So erzählt Hof-Dauergast Rosa von Praunheim davon, wie er sich einmal mit Tom Tykwer ein Zimmer teilen musste: "Er zog sich im Mondenschein aus und genoss es, dass ich ihn begehrte." Leider sei das alles gewesen, bedauert er. Befreundet sind die beiden Regisseure aber nach wie vor, Tykwer drehte einen Teil der 2012 in Hof uraufgeführten Praunheim-Doku "Rosakinder". Auch amerikanische Gäste sind dem Festival verbunden: Jim Jarmusch kam 1982 mit einem Kurzfilm und fand einen Geldgeber, der ihm seinen ersten Spielfilm ermöglichte.

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