Flüchtlingsunterkünfte:Auch Wohnen will gelernt sein

Flüchtlingsunterkünfte: Nach Monaten in Traglufthallen ziehen die Flüchtlinge im Landkreis nach und nach in feste Unterkünfte, in denen sie sich selbst versorgen müssen.

Nach Monaten in Traglufthallen ziehen die Flüchtlinge im Landkreis nach und nach in feste Unterkünfte, in denen sie sich selbst versorgen müssen.

(Foto: Toni Heigl)

175 Flüchtlinge, die in Unterföhring bisher notdürftig in einer Traglufthalle untergebracht waren, dürfen in feste Unterkünfte am Ort umziehen. Damit die Umstellung klappt, stellt ihnen der Helferkreis Lotsen zur Seite. Für 44 andere junge Männer heißt es Abschied nehmen.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Die Tage der Unterföhringer Traglufthalle sind gezählt: In der zweiten November-Woche beginnt der Umzug von 175 Flüchtlingen aus dem Notquartier in die feste Unterkunft an der Bauhofstraße im Norden der Gemeinde. Für weitere 44 junge Männer, die in der kurz vor Weihnachten 2015 aufgestellten Notunterkunft einen Platz hatten, ist die Zeit in Unterföhring vorbei, zumindest was das Wohnen anbelangt: Sie werden nach Angaben des Landratsamtes in einem anderen Flüchtlingsheim in der Umgebung oder in einer der noch bestehenden Traglufthallen unterkommen.

Die Entscheidung, wer von den derzeit noch 222 Flüchtlingen in der Traglufthalle in Unterföhring bleiben kann, hat die Kreisbehörde zusammen mit den Flüchtlingen selbst und dem Helferkreis getroffen, wie Susanne Skuballa, zweite Vorsitzende der örtlichen Flüchtlingshilfe, berichtet. Basis dafür sei eine Empfehlungsliste gewesen, die nach Skuballas Worten keinen größeren Stress zwischen den Bewohnern der Notunterkunft ausgelöst hat: Wer hat einen Job gefunden? Wer ist gut integriert in Unterföhring und weiß, wie die Gemeinde funktioniert? Wer braucht angesichts einer Traumatisierung das Netz an Mitbewohnern aus der Traglufthalle? Die Antworten auf diese Fragen hätten schließlich den Ausschlag dafür gegeben, wer in die feste Unterkunft umziehen soll. Der Helferkreis habe lange über der Aufstellung "gebrütet", sagt Skuballa.

Die Helfer sind froh, dass sie ihre Liste durchbekommen haben

Dass das Landratsamt der Auswahl sein Plazet gegeben hat, macht die Helfer laut Skuballa "froh und glücklich". Nun könnten sie weitermachen - mit den Sprachkursen zum Beispiel. Wäre die feste Unterkunft mit Flüchtlingen aus anderen Notquartieren belegt worden, hätten sie "wieder bei Null anfangen müssen". Und auch für die Unterföhringer sei es ja gut, "dass es zum Großteil unsere Flüchtlinge sind, die in die beiden Häuser im Norden des Ortes umziehen können". Man kenne sich mittlerweile.

Wie gut sich die Bevölkerung seit knapp einem Jahr an die neuen Mitbewohner gewöhnt hat, lobt auch Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU). Das sei auch ein Verdienst der gut 250 Ehrenamtlichen, die sich in der Unterföhringer Flüchtlingshilfe engagieren. In der Bürgerversammlung ernteten diese Lob vom Rathauschef und viel Applaus von den gut 120 Besuchern. "Ein großes Dankeschön dem Helferkreis, der sich eigens dazu als Verein gegründet hat, aber auch den übrigen Vereinen für ihre engagierte Offenheit sowie allen Einzelpersonen, die viel Zeit und viel Kraft zur Verfügung stellten", so der Unterföhringer Bürgermeister.

Die Bürger hätten mit Ruhe und Gelassenheit auf die Neuankömmlinge reagiert. Und auch die ansässigen Unternehmen und Firmen hätten sich außerordentlich eingebracht, um zu helfen. Er sei jedenfalls guter Dinge, dass sich das Miteinander von Einheimischen und Neu-Bürgern weiterhin so positiv gestalte. Albert Bauer, Chef der zuständigen Polizeiinspektion Ismaning, konnte dies nur unterstreichen. "Rückblickend sind wir sehr zufrieden", sagte er bei der Bürgerversammlung und würdigte das Engagement des Helferkreises: Er sei "ein wertvolles Bindeglied" zwischen den Flüchtlingen und der Polizei. Für Landrat Christoph Göbel (CSU) stellt Unterföhring "einen ganz wichtiger Baustein" in der Asylpolitik des Landkreises München dar. Mit der hiesigen Traglufthalle und den anderen sechs habe man verhindern können, "dass wir Turnhallen sperren mussten".

Auch die jungen Männer, die die Gemeinde verlassen müssen, sind weiter willkommen

Mit dem Bezug der neuen Unterkunft geht es für den Helferkreis "erst richtig los mit der Integrationsarbeit", wie Skuballa sagt. Nach Monaten der Nothilfe stehe für die Ehrenamtlichen jetzt eine deutliche Änderung ihrer Arbeit auf dem Plan. "Das Leben der jungen Männer ändert sich nun grundlegend", berichtet die zweite Vorsitzende der Flüchtlingshilfe. Jetzt heiße es für sie: "Wie geht das Wohnen in Deutschland - mit Selbstversorgung und Eigenverantwortlichkeit?" Der Helferkreis wird nach den Worten von Susanne Skuballa jeder Flüchtlings-WG einen "Lotsen" zur Verfügung stellen. Dieser leitet die bis zu fünf Bewohner an, "und das fängt beim Putzen an". So werde die Flüchtlingshilfe Reinigungs-Sets für wenig Geld anbieten. Darin enthalten sind laut Skuballa zum Beispiel auch die "nötigen Infos", was wie womit geputzt wird.

Zwei Frauen aus dem Landratsamt werden sich ein Büro mit dem Helferkreis in der neuen Unterkunft unweit des Isarkanals teilen. Die Unterföhringer haben sich die Holzhäuser bereits ansehen können und von der Gelegenheit zur Besichtigung reichlich Gebrauch gemacht. Für die jungen Männer, die nicht in die neue Unterkunft umziehen können, sondern andernorts wohnen werden, ist Unterföhring übrigens kein verbotenes Pflaster: "Sie dürfen ihre Sprachkurse hier weitermachen und auch ins Training der Sportvereine gehen", sagt Skuballa. Einige haben ja auch Freunde am Ort gefunden.

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