Zum Tod des Schauspielers:Manfred Krug, der zweifache Star

Der große deutsch-deutsche Schauspieler und Sänger Manfred Krug führte zwei Leben, machte zwei Karrieren. Nun sind sie zu Ende.

Nachruf von Julian Dörr

Irgendwie war Manfred Krug immer schon da. Als singender Tatortkommissar Paul Stoever, als Berliner Anwalt Robert Liebling und ja, auch als Manfred aus der Sesamstraße. Manfred Krug gehörte praktisch zum Mobiliar der alten BRD wie die Schrankwand Eiche und der geflieste Couchtisch. Er war eines der großen Fernsehgesichter in den wohlig warmen und auch immer etwas schlecht durchlüfteten Fernsehzimmern dieses Landes.

Aber das stimmt ja nicht. Niemand ist einfach so da, schon gar nicht Manfred Krug - was nichts mit seiner eindrucksvollen Statur zu tun hat. Manfred Krug war Schauspieler, aber er war auch Jazz-Sänger. Manfred Krug war ein Star in der DDR, und er wurde ein Star in der BRD. Ein Mann mit zwei Heimaten, ein grenzüberschreitender Künstler, in dessen Leben und Werk schon zusammenwuchs, was erst später wieder zusammengehören sollte.

In "Spur der Steine" rebelliert Krug gegen die Planwirtschaft

Geboren wird Manfred Krug 1937 in Duisburg. Nach der Scheidung seiner Eltern zieht er 1949 zusammen mit seinem Vater, einem Stahlwerksingenieur, in die DDR. Krug wird Stahlschmelzer, ein Spritzer flüssigen Stahls brennt ihm die markante Narbe auf die Stirn. Er holt das Abitur nach, studiert Schauspiel und spielt am Berliner Ensemble. Mit 20 Jahren ist er regelmäßig im Fernsehen und Kino der DDR zu sehen.

Der Regisseur Frank Beyer macht ihn zum männlichen Helden. 1960 spielt Krug in "Fünf Patronenhülsen". In "Spur der Steine" gibt er 1966 den Zimmermann Hannes Balla, der gegen die Planwirtschaft rebelliert. Der Film wird nach wenigen Aufführungen aus den Kinos verbannt und darf erst Jahrzehnte später zur Wendezeit wieder öffentlich gezeigt werden. Schon in der DDR der Siebziger ist Manfred Krug ein zweifacher Star. Als Sänger nimmt er erfolgreiche Platten auf, seine Texte schreibt er unter Pseudonym.

Weil er sich mit dem Liedermacher Wolf Biermann solidarisiert und Unterschriften gegen dessen Ausbürgerung sammelt, wird ihm ein Teilberufsverbot erteilt. In einem Interview wird Krug später über die Klarheit berichten, die diese Situation für ihn geschaffen hat: "Die DDR hat Selbstmord getrieben (sic), und Biermann war der Haken, an dem sie sich aufgehängt hat. Was meine Unterschrift angeht, ich war über die eigene Tollkühnheit kurz erschrocken, aber bald danach war ich dem Biermann nur noch dankbar. Er hatte mich, ohne sein Wissen, zur Herstellung eigener Grundsätze angestachelt, zu denen ich jetzt stehen konnte."

Wolf Biermann ist der Anstoß. Manfred Krug stellt einen Ausreiseantrag, der wird im Sommer 1977 genehmigt. Er siedelt über - von einem deutschen Staat in den anderen. Und aus einer deutschen Schauspielgröße wird eine deutsch-deutsche Schauspielgröße. In vielen langjährigen Serienformaten erspielt er sich eine Dauerpräsenz im westdeutschen Fernsehen. Krug spielt einen abenteuerlustigen Lkw-Fahrer in Auf Achse, sein Hamburger Tatort-Kommissar zählt zu den dienstältesten und beliebtesten Ermittlern. Mit dem Anwalt aus Liebling Kreuzberg schafft er einen der großen Klassiker TV-Deutschlands. Die Drehbücher schreibt Schriftsteller Jurek Becker, Krugs enger Freund und Mitbewohner aus Ostberliner WG-Zeiten.

1996 wirbt Krug für den Börsengang der Deutschen Telekom. Der Mann aus dem real existierenden Sozialismus, der zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr real existiert, soll Menschen zum kapitalistischen Aktienkauf anregen. Das funktioniert. Doch als die Aktie Jahre später ins Bodenlose stürzt, schämt sich Manfred Krug sehr. Er hat seine Fans enttäuscht.

Der riesenhafte Mann mit dem weichen Herz, das sind auch die zwei Seiten, die Manfred Krug seinen größten Rollen gab.

In den vergangenen Jahren wurde es still um Manfred Krug. Auf den immer seltener werdenden Fotos sah er oft blass aus, kränklich. Im Fernsehen trat er kaum noch auf, ein Interview hier, eine Talkshow da. Er musste sich einer Herzklappen-OP unterziehen, erholte sich wieder. Nun ist Manfred Krug, der zweifache Star, der Mann, der es in zwei Deutschlands zum Film- und Fernsehliebling gebracht hat, im Alter von 79 Jahren in Berlin gestorben. Auch zwei Leben gehen zu Ende.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: