US-Geheimdienst:Hauch des Todes: Wie die CIA früher tickte

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Der Neue: Allen Dulles (Mitte) folgt 1953 Walter Bedell Smith (links) als CIA-Direktor, rechts General Omar Bradley.

(Foto: mauritius images)

Knallharter Antikommunismus, verdeckte Operationen - und Gedankenkontroll-Experimente mit LSD: In den 50er- und 60er-Jahren betrieben die USA atemberaubend schlichte Geopolitik. Mittendrin CIA-Direktor Allen Dulles.

Rezension von Willi Winkler

Der Jubel muss grenzenlos gewesen sein, als sie den demokratisch gewählten Premierminister endlich gestürzt hatten. "Es war ein Tag, der nie hätte vergehen dürfen", frohlockte die CIA in einem internen Bericht.

Kermit Roosevelt junior, der den Staatsstreich organisiert hatte, empfing vom amerikanischen Präsidenten einen hohen Orden und durfte bei der Gelegenheit nochmal in allen Einzelheiten davon erzählen. Präsident Dwight D. Eisenhower war begeistert und notierte in seinem Tagebuch, der Bericht klinge mehr nach einer Dime Novel, einem Groschenroman, als nach historischen Fakten.

Der iranische Premierminister Mohammed Mossadegh wollte die Ölindustrie verstaatlichen, außerdem war er in den Verdacht geraten, mit der Sowjetunion anzubändeln, also beschlossen die USA und Großbritannien, ihre Investitionen zu schützen und den so wenig willfährigen Iraner zu entmachten.

Ein Putsch als Ur-Sünde der US-Außenpolitik

Die "Operation Ajax", ein Joint Venture der beiden westlichen Geheimdienste mit iranischen Offizieren, war erfolgreich: Im August 1953 wurde Mossadegh weggeputscht. Mit Hilfe der USA und gestützt auf eine für ihre Brutalität berüchtigte Geheimpolizei konnte Schah Reza Pahlewi bis 1979 regieren. Dann allerdings kam der Religionsführer Khomeini und proklamierte den islamischen Gottesstaat.

Bernie Sanders erinnerte im amerikanischen Vorwahlkampf seine Landsleute an diese fast schon prähistorische Aktion, die Ur-Sünde der Außenpolitik, unter deren Folgen die USA bis heute leiden. Sie war das Meisterstück von Allen Welsh Dulles, dem Direktor der Central Intelligence Agency (CIA).

Der Sohn eines Predigers verfügte selber über ein gewaltiges Sendungsbewusstsein. Seine taktische Intelligenz ließ ihn das Evangelium der freien Welt nicht mit Feuer und Schwert predigen, sondern im Verborgenen wirken, brutal, effizient und möglichst ohne Tote, jedenfalls auf amerikanischer Seite.

Als Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen im Zweiten Weltkrieg hatte Eisenhower bei der Befreiung Europas Tausende in den Tod geschickt, als Präsident wollte er keinen weiteren Krieg anfangen.

Außer dem Antikommunismus gehörte die Kriegsvermeidung zu den wichtigsten Leitlinien der amerikanischen Nachkriegspolitik. Dulles, der den sechs Jahre zuvor gegründeten Auslandsgeheimdienst 1953 übernahm, wurde Eisenhowers bester Mann. Praktischerweise amtierte sein Bruder John Foster Dulles als Außenminister.

Es war die Stunde des großen Spiels, einer schlichten Geopolitik, in der die westliche Welt in Furcht und Schrecken vor der kommunistischen Ideologie und der sowjetischen Atombombe gehalten wurde.

Mit seinem manichäischen Weltbild, das nur Freunde und Gegner der Vereinigten Staaten kannte, nur den Kommunismus und die sogenannte freie Welt, konnte Dulles gar nicht anders als Mossadegh zu stürzen, anschließend Jacobo Árbenz Guzmán, den Präsidenten Guatemalas, und Patrice Lumumba im Kongo, der unter amerikanischer Oberaufsicht bestialisch ermordet wurde.

David Talbot betet das ganze Sündenregister des wenig frommen Dulles herunter: die verdeckten Operationen in Indonesien und in Vietnam, die Experimente mit LSD, um Gedankenkontrolle zu erreichen, die nichtchemische Beeinflussung der Presse (auf Allan Dulles' Betreiben verschwand der Name des umstrittenen Staatssekretärs des Bundeskanzleramts, Hans Globke, aus den Erinnerungen Adolf Eichmanns, die das Magazin Life brachte). Nur an Fidel Castro und Kuba scheiterten alle: Eisenhower, sein Vize Richard Nixon, die Brüder Dulles.

Ähnlich wie bei Ho Chi Minh hatte man sich im antikommunistischen Eifer einen Gegner herangezogen, der doch ursprünglich mit dem amerikanischen Unabhängigkeitsdenken sympathisierte.

Die so jämmerlich missglückte Invasion in der Schweinebucht zu Beginn der Amtszeit John F. Kennedys im Frühjahr 1961 beendete schließlich das verheerende Wirken von Dulles: Kennedy entließ den Fürsten der Finsternis, aber die Politik der verdeckten Operationen galt weiter. Schließlich verband die beiden das Faible für die Märchen, die Ian Fleming sich für seinen eleganten Auftragsmörder James Bond ausgedacht hatte.

Alte Fehler und noch ältere Klischees

Ganz aber wollte Dulles nicht vom großen Spiel lassen, jedenfalls will es Talbot so wissen. Der Autor hat 1995 die Online-Illustrierte Salon gegründet und sich bereits in einem anderen Buch mit dem Mord an den Kennedy-Brüdern beschäftigt. Nebenbei pflegt er ein schönes Hobby: In der Reihe "Pulp History" bringt er Spionageromane und Thriller im Stil des Kalten Krieges heraus. Von dieser Lust an der fetten Kolportage, der Dime Novel, ist auch seine Dulles-Abrechnung nicht frei.

Als ehemaliger Banker hat Dulles deshalb immer nur die Interessen seiner ehemaligen Kundschaft zu vertreten. Wenn er während des Zweiten Weltkriegs in Bern residiert, dann nur, um sich mit Nazis zu besprechen. Verabredungen werden in der Bibliothek getroffen, Verschwörungen in Villen besprochen, in denen gleich mehrere Vermeers hängen (das schaffen nicht mal amerikanische Milliardäre), während die Ehefrauen vernachlässigt werden und sich so grämen, dass sie die Praxis von Dr. C. G. Jung aufsuchen müssen.

Auschwitz muss dann ursprünglich ein "verschlafenes Städtchen" gewesen sein, und mit dem Raunen des Nichtdabeigewesenen wird von einem "Altweibersommerabend" erzählt, an dem zwei Männer "über die rostfarbenen Backsteinwege" schlendern, "während die Lampen ihr gelbes Licht auf das malerische Georgetown zu werfen begannen". Später wird es ganz dunkel: "Der Jeep kroch langsam durch die Schatten der Nacht."

US-Geheimdienst: David Talbot: Das Schachbrett des Teufels. Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung. Westend-Verlag, Frankfurt 2016. 604 Seiten, 28 Euro. E-Book: 19,99 Euro.

David Talbot: Das Schachbrett des Teufels. Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung. Westend-Verlag, Frankfurt 2016. 604 Seiten, 28 Euro. E-Book: 19,99 Euro.

Dieser Stil ist nicht nur eine Stilfrage, sondern betrifft öfter auch den Inhalt. Die Kapitel, die sich mit dem Aufbau der Organisation Gehlen und der immer wieder gern nachgezeichneten "Rattenlinie" beschäftigen, bleiben weit hinter der neueren Forschung zurück, dafür wiederholt Talbot alte Fehler und noch ältere Klischees.

Beispielsweise wurde "Botschafter" Franz von Papen, also Hitlers ehemaliger Stellvertreter und einer seiner Vorgänger als Reichskanzler, beim Nürnberger Prozess keineswegs verurteilt, sondern freigesprochen.

Der SS-Weltanschauungsforscher und BND-Agentenführer Franz Alfred Six war natürlich kein Juraprofessor, sondern hatte in Königsberg den Lehrstuhl für Zeitungswissenschaften inne. Und dann ist das Buch auch noch lieblos übersetzt und offenbar überhaupt nicht lektoriert worden. (Dutzende Beispiele auf Nachfrage und gegen frankierten Umschlag.)

Pensionär Dulles grollte dem jungen JFK

Der Pensionär Dulles grollte dem jungen Präsidenten, und wahrscheinlich intrigierte er auch mit etlichen Konsorten gegen Kennedy. Das führt unweigerlich zum Mord an John F. Kennedy. Talbot gibt den Oliver Stone und macht eine Großverschwörung draus, hinter der - Wer hätte das gedacht? - der alte Gauner Dulles stecken muss oder kann oder so und vielleicht hat er doch irgendwie auch noch beim Tod Robert Kennedys mitgewirkt.

Die politischen Verbrechen, die unter Dulles das tägliche Brot der CIA waren, kamen zum großen Teil bereits 1975 vor einem Ausschuss des US-Senats ans Licht. Sie hörten nach Dulles' Ausscheiden nicht auf, sondern gingen unter späteren Präsidenten und Direktoren weiter.

Vielleicht wäre es interessant gewesen, sich nicht nur darüber zu empören und statt die bekannten Jungianischen Trivialitäten als Erklärung für Dulles' kaltblütiges Handeln heranzuziehen, tatsächlich das Wechselspiel von Politik und Geheimdienst zu beschreiben, wie es Stephen Kinzer in seinem (bisher nicht übersetzten) Buch "The Brothers" versucht hat.

Der Presbyterianer Dulles handelte im besten amerikanischen Interesse und ging dabei selbstverständlich über Leichen, solange es keine amerikanischen waren. Das kann man zynisch nennen oder die Kissinger-Doktrin oder hohe Staatskunst, denn das, was dann unter George W. Bush Nation Building und Demokratie-Export hieß und Hunderttausende das Leben kostete, wurde in den weit weniger kriegsbegeisterten Fünfzigerjahren mit weit weniger Opfern in verdeckten Operationen bewerkstelligt.

Als Geschichtenerzähler muss Talbot seinen Dulles zum großen Schurken machen und den Präsidenten zum unwissenden, vielleicht sogar unschuldigen Werkzeug. Von einer Arbeitsteilung scheint er nie gehört zu haben, davon, dass der Staatsmann vielleicht ganz froh ist, wenn er über einen kühlen Profi verfügt, der den Weg zur Hintertreppe mit und ohne Jeep und auch im Dunkel der Nacht findet und dort die Mörder auszahlt, die die Geschäfte besorgen, für die sich der Präsident zu gut ist, weil er sich um seinen Nachruhm sorgt.

Der Missionar Allen Dulles unterwanderte ganze Länder und stürzte Regierungen im Interesse seiner eigenen Regierung, die einen offenen Krieg vermeiden wollte. Barack Obama hat sich 2009 in seiner Rede in Kairo immerhin zur amerikanischen Schuld beim Sturz Mossadeghs bekannt. Er führt keine Kriege mehr, sondern lässt das Geschäft die Drohnen besorgen, damit es keine Toten gibt, jedenfalls keine amerikanischen.

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