Cumhuriyet:"Alles erinnert an den Marsch des Faschismus"

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2015 wurde bereits der damalige Chefredakteur der Cumhuriyet, Can Dündar, festgenommen, es kam zu Protesten. Nun traf es den neuen Redaktionsleiter, Murat Sabuncu.

(Foto: dpa)
  • Die Polizei hat den Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Tageszeitung Cumhuriyet, Murat Sabuncu, festgenommen.
  • Ihm und weiteren Mitarbeitern werden Verbindungen zum Putschversuch im Juli vorgeworfen.
  • Vergangenes Jahr war bereits der damalige Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar festgenommen worden, der inzwischen in Deutschland lebt.

Der Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Tageszeitung Cumhuriyet, Murat Sabuncu, ist festgenommen worden. Polizisten nahmen Sabuncu bei einer Durchsuchung seiner Wohnung fest, wie die betroffene Zeitung und die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichten.

Gegen insgesamt vierzehn Mitarbeiter der Zeitung sei Haftbefehl erlassen worden, schreibt Cumhuriyet. Darunter seien neben Sabuncu vier weitere Journalisten sowie der Vorstandsvorsitzende der Zeitung, Akin Atalay. In weiteren Berichten heißt es, zu den Festgenommen zähle auch Guray Oz, ein Kolumnist der Zeitung. Cumhuriyet zufolge dürfen die Journalisten in den kommenden fünf Tagen nicht mit ihren Anwälten sprechen.

Der Vorwurf: Verbindungen zum Putschversuch vom Juli

Den Zeitungsmitarbeitern werden Verbindungen zu dem Prediger Fethullah Gülen vorgeworfen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan macht den in den USA lebenden Anführer der Gülen-Bewegung für den Putschversuch im Juli verantwortlich. Des Weiteren, so der Vorwurf, sollen Mitarbeiter die in der Türkei verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützt haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen der Cumhuriyet und dem türkischen Staat kommt. Der damalige Chefredakteur Can Dündar und der Hauptstadt-Büroleiter des Blattes, Erdem Gül, waren im vergangenen November nach brisanten Enthüllungen der Zeitung festgenommen und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Im Zuge der aktuellen Festnahmen sei Dündars Haus in Istanbul erneut durchsucht worden, schreibt die Cumhuriyet. Zudem sei er zur Fahndung ausgeschrieben worden. Unter den Festgenommenen sei auch Dündars Anwalt Bülent Utku. Utku sitzt im Vorstand der Cumhuriyet-Stiftung. Dündar lebt inzwischen in Deutschland. Gegen ihn und Gül ist noch ein weiteres Verfahren wegen Unterstützung einer Terrororganisation anhängig.

"Ein Albtraum"

Auf Twitter reagierte Dündar empört. "Sie greifen die "letzte Festung" an", schrieb er. Beobachter äußerten sich ähnlich. "Das Vorgehen türkischer Behörden gegen 'Cumhuriyet' und andere kritische Medien ist nicht tolerabel", sagte der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz der taz. "Wo Pressefreiheit beschnitten wird und Journalisten in Angst leben, da ist die Demokratie am Ende."

Ähnlich sieht es die Right Livelihood Stiftung, die den alternativen Friedensnobelpreis vergibt. "Die neueste Razzia bei Cumhuriyet, die Verhaftung und Verfolgung mehrerer Mitarbeiter, zeigen uns, dass die demokratischen Freiheiten in der Türkei jeden Tag weiter erodieren."

Der türkische Journalist Yavuz Baydar, den SZ-Lesern auch als Kolumnist bekannt, bezeichnet die Vorgänge um die Cumhuriyet als "Albtraum". Die massive Operation gegen die wichtige kritische Zeitung könne der Todesstoß für unabhängigen Journalismus in der Türkei sein. "Es wird nun erwartet, dass die Cumhuriyet von einem Treuhänder der Regierung übernommen wird und dass sie sich in ein Erdoğan-treues Medium verwandelt", schreibt er.

Vor dem Hintergrund des Vorgehens der türkischen Regierung unter anderem gegen Journalisten, Lehrer und Richter schreibt Baydar zudem: "Alles erinnert an den Marsch des Faschismus. Die Türkei fällt mit großer Geschwindigkeit in die Finsternis einer autoritären Herrschaft, in der Gerechtigkeit nicht existiert."

Mehrere Journalisten-Organisationen, darunter "Reporter Ohne Grenzen" und der Deutsche Journalistenverband, forderten, die Cumhuriyet-Mitarbeiter umgehend freizulassen.

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