Bank of England:Im Dienste der Kontinuität

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Mark Carney, 51, ist seit Juli 2013 Gouverneur der Bank of England. Er ist der erste Ausländer auf diesem Posten in der 319-jährigen Geschichte der englischen Zentralbank. (Foto: Stefan Wermuth/Reuters)

Mark Carney, Chef der britischen Notenbank und der erste Ausländer auf dem Posten, will trotz heftiger Kritik bis zum Ende der Brexit-Gespräche bleiben. Kritiker werfen ihm vor, er habe die Angst vor einem EU-Austritt geschürt.

Von Björn Finke, London

Die Anrede und die Unterschrift hat er von Hand hinzugefügt, der Rest des Briefes ist gedruckt: Mit einem sehr ausladenden und wenig formellen "Yours, Mark", also "Ihr Mark", unterzeichnet der britische Notenbankchef Mark Carney seinen einseitigen Brief an Schatzkanzler Philip Hammond. In dem Schreiben sagt der Gouverneur der Bank of England zu, das Amt bis Ende Juni 2019 auszufüllen. Die Währungshüter veröffentlichten den Brief am Montagabend. Zuvor hatte sich Carney mit Premierministerin Theresa May in 10 Downing Street getroffen.

Damit beendet der Ökonom Spekulationen, er könnte bereits 2018 abtreten. Britische Medien hatten berichtet, der Kanadier - der erste Ausländer auf dem Posten - erwäge das, weil er genervt sei von der Kritik aus Reihen der regierenden Konservativen. Abgeordnete aus dem Brexit-Lager werfen ihm vor, er habe vor der Volksabstimmung mit übertriebenen Warnungen Angst vor einem EU-Austritt geschürt. Diese Einmischung in die Politik habe die Unabhängigkeit der Notenbank beschädigt. Carney weist die Vorwürfe zurück.

Den Währungshüter in dieser unruhigen Zeit auszutauschen, hätte Investoren verunsichert

Ein Abgang im Jahr 2018 wäre heikel gewesen. Premier May will die Europäische Union Anfang kommenden Jahres offiziell über den Austrittswunsch unterrichten. Dann beginnen zweijährige Verhandlungen über die Trennung. Die schwierigen Diskussionen könnten zu neuen Turbulenzen an den Finanzmärkten führen. Sickern schlechte Nachrichten durch, könnte etwa der Pfundkurs abstürzen. Seit dem Referendum hat die Devise bereits deutlich an Wert verloren. Den obersten Währungshüter inmitten dieser unruhigen zwei Jahre auszutauschen, hätte Investoren weiter verunsichert. In dem Brief begründet Carney seinen Beschluss mit diesen Verhandlungen: Im Sommer 2019 sollten die Gespräche beendet sein, und bis dahin sei Kontinuität wichtig. Wenn er so lange im Amt bleibe, werde das zu einem wohlgeordneten Austritt beitragen, schreibt der Gouverneur, den britische Medien den "George Clooney unter den Notenbankern" tauften - wegen seiner smarten Anzüge und des charmanten Lächelns.

Carney übernahm den Posten im Jahr 2013. Der frühere Schatzkanzler George Osborne hatte den damaligen Chef der kanadischen Notenbank nach London geholt. Das Gesetz sieht als Amtszeit acht Jahre vor. Aber Carney machte zum Antritt klar, dass er seiner Familie zuliebe voraussichtlich nur fünf Jahre, bis 2018, bleiben werde. Er hat vier Töchter, und im Sommer 2018 verlässt seine älteste Tochter die Schule. Dann soll die Familie wieder nach Kanada ziehen. Im vergangenen Jahr deutete Carney allerdings schon an, den Posten vielleicht doch für die komplette Amtszeit - bis 2021 - behalten zu wollen.

Zuletzt kamen wiederum Spekulationen auf, der 51-Jährige werde wegen der Kritik aus dem Brexit-Lager verkünden, in jedem Fall 2018 abzutreten - auch wenn das mit Blick auf die Trennungsverhandlungen ein schlechter Zeitpunkt ist. Carneys Familie wird trotz seiner Festlegung 2018 nach Kanada zurückkehren; er bleibt danach ein Jahr lang alleine in London.

Den Zorn der EU-Gegner erregte Carney, als er vor dem Referendum warnte, ein Brexit werde die Konjunktur belasten und die Stabilität des britischen Finanzsystems gefährden. Nach dem Sieg des Austritts-Lagers senkte der Notenbankchef den Leitzins im August von 0,5 auf 0,25 Prozent, um die Wirtschaft zu stützen. Allerdings läuft die Konjunktur bisher weit besser, als von der Bank of England vorhergesagt. Die Währungshüter hatten für das dritte Quartal nur 0,1 Prozent Wachstum prognostiziert, also nahezu Stillstand. Tatsächlich legte die Wirtschaftsleistung in diesem Zeitraum um 0,5 Prozent zu.

Premier May kritisierte außerdem vor vier Wochen, die Politik des billigen Geldes, welche die Notenbanken seit Jahren verfolgen, schade den Sparern. Carney erklärte daraufhin ziemlich brüsk, er nehme "keine Anweisungen" an; solche Kommentare erschwerten seine Arbeit. Eine Sprecherin Mays sagte nun, die Regierungschefin unterstütze Carneys Entscheidung, über das Jahr 2018 hinaus zu bleiben.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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