Theater:Als ließe der FC Bayern Lewandowski auf der Ersatzbank hocken

Bayerischer Fernsehpreis 2014 im Prinzregententheater

Zuletzt habe sie sich an den Münchner Kammerspielen immer heimatloser gefühlt, sagt die Schauspielerin Brigitte Hobmeier.

(Foto: Florian Peljak)

Brigitte Hobmeier wird vom Publikum der Münchner Kammerspiele verehrt. Nun hat sie gekündigt. Dahinter steckt ein Skandal.

Von Christine Dössel

Gerade wurde bekannt, dass an den Münchner Kammerspielen die Inszenierung "Unterwerfung/Plattform" nach den beiden Romanen von Michel Houellebecq platzt, da gibt es schon die nächste schlechte Nachricht aus dem Haus: Die Schauspielerin Brigitte Hobmeier hat gekündigt und wird, wie sie gegenüber der SZ bestätigt, Ende der Spielzeit aus dem Ensemble ausscheiden, und zwar ohne ein neues Engagement zu haben. Sie gehe diesen Schritt "schweren Herzens", sagt die 40-Jährige, schließlich empfinde sie das Haus, dem sie seit 2005 angehört, als ihre "künstlerische Heimat". Zuletzt habe sie sich jedoch immer heimatloser und "wie auf dem Abstellgleis" gefühlt. Der Grund für ihren Weggang sei kein Zerwürfnis mit dem neuen Intendanten Matthias Lilienthal, betont Hobmeier, die in München ein Publikumsmagnet ist, von den Zuschauern verehrt und geliebt. Sie wolle auch keine Grundsatzkritik üben an dessen Kurs hin zu Performances und theatralen Hybrid-Formen.

Sie sagt: "Ich hätte nur gerne mitgemacht." Fakt ist, dass die herausragende Film- und Theaterschauspielerin Brigitte Hobmeier seit Lilienthals Antritt in der Saison 2015/16 kaum mehr was zu spielen bekam. "Die können mit mir nichts anfangen", bewertet sie selbst dieses "Desinteresse". Jüngst hatte sie in der kleinen Sprach-Speed-Volte "The Re'Search" Premiere. Ansonsten war ihre einzige größere Rolle die Hure Nadia in Simon Stones Inszenierung "Rocco und seine Brüder", die im Oktober 2015 herauskam - kein wirklich dankbarer Part in dieser testosteronlastigen Boxer-Familiengeschichte, aber was Hobmeier daraus macht, ist fulminant. Wie sie da ihr Handwerkszeug auspackt und sich mit ebenso großer Verletzlichkeit wie Sinnlichkeit in den Ring wirft, hebt diesen Abend der Fliegengewichtsklasse auf Schwergewichtsniveau. Dass Hobmeier dabei die neuen Jungs im Ensemble kurz mal an die Wand spielt, könnte ihr womöglich sogar negativ ausgelegt worden sein.

Das, was gemeinhin als "Schauspielkunst" gefeiert wird, ist an den Münchner Kammerspielen ja längst keine Qualität an sich mehr und psychologisches Identifikationstheater eher verpönt. Das postdramatische Diskurs- und Performancetheater, wie Lilienthal es zu etablieren versucht, verlangt nicht mehr den klassischen Schauspieler, der gut sprechen kann und eins-a-wandlungsfähig ist, sondern den "Performer": den möglichst jungen, möglichst "authentischen" Ich-Darsteller mit Street Credibility und Spezialtypenqualität, am besten mit einem interessanten Migrationshintergrund und Idiom.

Da macht es auch nichts, wenn einer lispelt. Dass ein neuer Intendant Setzungen machen muss, wenn er etwas ändern will, und diese nicht immer schmerzfrei sind: Klar. Dass nach einem Wechsel nicht nur enttäuschte Abonnenten, sondern manchmal auch Schauspieler kündigen, ist ebenfalls ein normaler Vorgang. Nur verweist der Fall Hobmeier auf ein grundsätzliches Problem einer Theaterorientierung à la Lilienthal: das Null-Interesse und fehlende Sensorium für die Schauspielerei als Kunst. Diese Geringschätzung des Schauspielers an sich. Welch ein Skandal eigentlich!

Wenn die Kammerspiele für eine Protagonistin wie Brigitte Hobmeier offenbar keinen Gebrauch haben - und das, obwohl diese Könnerin auch performancefähig ist -, muss man sich fragen, wohin dieses Haus strebt. Das ist, als ließe der FC Bayern Robert Lewandowski auf der Ersatzbank hocken. Die Champions League gewinnt man so nicht.

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