Klimawandel:Die Arktis-Formel

Eismessungen am Nordpol

Der arktische Ozean im August 2015.

(Foto: Ulf Mauder/dpa)

Jede Tonne CO₂ vernichtet drei Quadratmeter Meereis. Damit bekommen Autofahrten oder Flüge einen sehr konkreten Klima-Wert.

Von Marlene Weiß

Warum fällt es Menschen so schwer, sich klimaschonender zu verhalten? Zu wenig greifbar sei der Klimawandel, heißt es oft, zu wenig konkret die Folgen des eigenen Handelns. Das jedoch könnte künftig eine schwache Ausrede für Untätigkeit sein. Eine Studie zeigt erstmals direkt, was der persönliche CO₂-Ausstoß für das arktische Sommer-Meereis bedeutet: Pro Tonne emittiertes Kohlendioxid geht es demnach um drei Quadratmeter zurück (Science).

Das lässt sich leicht in menschliche Aktivitäten umrechnen. Eine Autofahrt im Kleinwagen von Hamburg nach Wien und zurück: Macht etwa 300 Kilogramm CO₂, also knapp einen Quadratmeter weniger Eisbedeckung. Ein Flug von Deutschland in die USA schlägt mit mehreren Quadratmetern zu Buche, und die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen der Deutschen von knapp zwölf Tonnen CO₂ kosten etwa 35 Quadratmeter Eisfläche. Viel konkreter geht es eigentlich nicht.

"Vereinfacht gesagt wandert die Eiskante mit zunehmender Wärme-Rückstrahlung aus der Atmosphäre immer weiter Richtung Nordpol, wo die Sonneneinstrahlung geringer ist", sagt Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, Erstautor der Studie. Aus den bisherigen Emissionen und dem beobachteten Eisrückgang haben Notz und seine Kollegin Julienne Stroeve vom National Snow and Ice Data Center in Colorado auf den Wert von drei Quadratmetern Eis pro Tonne CO₂ geschlossen.

So hat sich die Fläche, welche am Ende des Sommers am Nordpol noch von Eis bedeckt ist, in den vergangenen vier Jahrzehnten etwa halbiert; beim Negativ-Rekord im September 2012 waren nur 3,4 Millionen Quadratkilometer übrig. Mit Klimamodellen lässt sich dieser starke Rückgang nur schwer erklären, sie sagen meist eine geringere Schrumpfung voraus. Das könnte vor allem daran liegen, dass diese Modelle die schon heute extrem starke Erwärmung der Arktis unterschätzen.

"Sogar für mich war Klimawandel immer sehr abstrakt und schwer auf das eigene Leben zu beziehen", sagt Klimaforscher Dirk Notz. "Mit unseren neuen Ergebnissen hat man eine direkte positive Rückmeldung, was eine bestimmte CO₂-Einsparung konkret bringt." Falls es jedoch trotz allem kein globales Umdenken geben sollte, dürften die Tage der Eiskappe am Nordpol gezählt sein: Nach noch einmal rund 1000 Gigatonnen emittiertem CO₂ wäre die Arktis nach den Zahlen von Notz und Stroeve im Sommer weitgehend eisfrei. Sollten die Emissionen auf dem heutigen Stand verharren, würde das keine 30 Jahre mehr dauern.

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