Ägypten:Teurer ist nur das Vertrauen

Ägypten: Harte Währungen bekommt man fast nur noch auf dem Schwarzmarkt.

Harte Währungen bekommt man fast nur noch auf dem Schwarzmarkt.

(Foto: Khaled Desouki/AFP)

Ägypten hat seine Währung um 48 Prozent abgewertet und den Wechselkurs freigegeben. Damit sind Auflagen für einen IWF-Kredit erfüllt. Vor allem für arme Ägypter heißt das aber: Das Leben wird noch teurer.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Ägypten hat am Donnerstag den Wechselkurs seiner Währung freigegeben und so einen überraschend drastischen Schritt zu erwarteten Reformen der Wirtschaft gemacht, nach der Saudi-Arabiens die zweitgrößte der Region. Die Zentralbank, nominell unabhängig von der Regierung, verkündete die als "historisch" gewertete Entscheidung. Sie hatte den Wechselkurs nach einer Abwertung im März um fast 14 Prozent zuletzt bei 8,78 Pfund pro Dollar festgesetzt. Der neue unverbindliche Richtkurs für Banken liegt nun bei 13 Pfund, eine Abwertung um mehr als 30 Prozent. In den vergangenen Tagen waren die Preise auf dem überhitzten Schwarzmarkt bis auf 18 Pfund pro Dollar gestiegen und hatten Zentralbank und Regierung massiv in Zugzwang gebracht.

Den Preis für knapp gewordenen Zucker hat die Regierung schon um 40 Prozent erhöht

Premier Ismail Sherif hatte am Montag "neue Maßnahmen der Zentralbank" angekündigt. Erwartet worden war eher eine weitere Abwertung. Tarek Amer, der Gouverneur der Zentralbank, hatte eine Freigabe daran geknüpft, dass die Devisenreserven auf 25 Milliarden Dollar steigen; im September waren es 19,6 Milliarden. Ägypten hat beim Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kredit beantragt, der dem Land zwölf Milliarden Dollar über drei Jahre zu sehr niedrigen Zinsen bringen würde. Um die Zustimmung des Verwaltungsrates zu bekommen, muss Kairo jedoch Subventionen abbauen und Wirtschaftsreformen angehen. Der IWF hatte die Freigabe des Pfunds nicht zur Bedingung gemacht, aber einen flexibleren Kurs gefordert. Ägypten hat etliche Milliarden Dollar bei dem weitgehend erfolglosen Versuch verbrannt, seine Währung künstlich zu stützen.

Die Regierung hofft, mit der Freigabe der sich verschärfenden Devisen- und Wirtschaftskrise Herr zu werden. Sie riskiert aber, große Teile der Bevölkerung zu verärgern, wenn die Inflation von ohnehin schon 15,5 Prozent weiter steigt - und damit die Preise für Grundnahrungsmittel und Produkte des täglichen Bedarfs. Die Zentralbank erhöhte den Leitzins um drei Prozentpunkte auf 14,75 Prozent, um den Preisanstieg zu bremsen. Eine Teuerung jenseits der 20 Prozent gilt Experten zumindest in den nächsten Monaten aber als möglich. Die Lebensmittelpreise sind in den vergangenen Monaten schon drastisch gestiegen.

Etwa 70 Prozent der 92 Millionen Ägypter können über Wertkarten subventionierte Produkte beziehen, vor allem Brot. Den Preis für Zucker hat ihnen die Regierung jedoch gerade um 40 Prozent erhöht, weil es zu Engpässen kam. Auch Reis und Pflanzenöl sind knapp und rationiert. Die Armee kündigte an, acht Millionen Pakete mit stark verbilligten Lebensmitteln auszugeben, die auch Zucker, Reis und Öl enthalten. Es ist ein Zeichen dafür, dass das vom Militär dominierte Regime unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi die soziale Sprengkraft der Situation durchaus ernst nimmt. Brotunruhen könnten die Folge sein, wenn sich die Versorgung weiter verschlechtert.

Einflussreiche ägyptische Unternehmer wie Naguib Sawiris begrüßten die Freigabe als überfällig, ebenso viele Ökonomen. Sie sei der "Anfang, um die Wirtschaft in Ägypten wieder ins Gleichgewicht zu bringen", sagte der lange Jahre in Kairo ansässige Experte Angus Blair von der Investmentbank Pharos. Christian Müller von der Jacobs University Bremen, der drei Jahre Volkswirtschaft an der German University in Kairo gelehrt hat, spricht von einer "Riesenchance" vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen. Viele ägyptische Firmen hatten zuletzt ihre Produktion herunterfahren oder einstellen müssen, weil sie keine Rohstoffe mehr im Ausland kaufen konnten.

Die Handelskammer hofft nun auf ein Wachstum der Exporte von 10 bis 20 Prozent. Auch für Touristen, wichtigste Devisenquelle Ägyptens, wird das Land nun billiger und damit attraktiver. Die Branche war um 50 Prozent eingebrochen, nachdem die Terrormiliz Islamischer Staat im Oktober 2015 einen Anschlag auf einen russischen Ferienflieger verübt hatte. Der IWF begrüßte die Pfund-Freigabe ebenfalls. Sie könne dazu beitragen, wieder mehr Investitionen aus dem Ausland anzuziehen.

Zugleich äußerte Volkswirt Müller Zweifel, dass die Regierung den Schritt gut vorbereitet habe. Sisi sei weder gelungen, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, noch das der Wirtschaft, was in einer solchen Lage wichtig sei. Zudem werde die Abwertung verpuffen, wenn die Regierung nicht entschieden gegen Korruption vorgehe und ein lange angekündigtes Investitionsgesetz durchsetze. Ägypten verzeichnet zudem seit 2004 ein wachsendes Defizit der Handelsbilanz. Einfuhren aber werden nun teurer, und Kairo ist selbst bei der Grundversorgung darauf angewiesen. Das Land ist der weltgrößte Weizenimporteur.

Schuldzinsen, Staatsgehälter, Subventionen - für Investitionen bleibt kaum etwas

Völlig intransparent bleibt auch die Rolle des Militärs in der Wirtschaft - Sisi sagte jüngst, der Anteil der Armee an der Wirtschaftsleistung betrage nicht mehr als 1,5 Prozent, unabhängige Experten schätzen ihn aber auf mindestens 10 bis 15 Prozent, manche gar auf bis zu 40 Prozent. Das Militärbudget ist der Kontrolle des Parlaments entzogen. Zudem verfügt die Armee über eigenes Vermögen, wie Sisi einräumte, aus dem sie etwa die Milliarden Dollar für umfangreiche Waffenkäufe bestreitet.

Die Regierung plant, das Haushaltsdefizit von 12,2 Prozent im abgelaufenen Haushaltsjahr zu reduzieren. Die Strompreise hat sie bereits erhöht, auch die Stützung der Treibstoffpreise soll auslaufen. Die Lebensmittel- und Agrarsubventionen sind dagegen gestiegen. Insgesamt gibt der Staat knapp ein Viertel des Haushalts für solche Leistungen aus, ein weiteres Viertel für Gehälter. Neben dem Schuldendienst vor allem für hochverzinste inländische Kredite und Anleihen bleibt kaum Geld für strategische Investitionen etwa in das marode Bildungssystem oder Infrastruktur. Präsident Sisi setzt bislang zudem auf wirtschaftlich fragwürdige Prestigeprojekte wie den Ausbau des Suez-Kanals.

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