Klimaschutzplan des Umweltministeriums:Das Endspiel um die Braunkohle hat begonnen

Lausitzer Braunkohlerevier

Das Kraftwerk Jänschwalde im Lausitzer Braunkohlerevier produziert Strom für 5,7 Millionen Haushalte - und reichlich Kohlendioxid.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Der neue Entwurf des Klimaschutzplans des Umweltministeriums geht weiter als je zuvor. Der Betrieb von Kohlekraftwerken könnte bald sehr, sehr teuer werden.

Von Michael Bauchmüller, Hongkong

Wenn Ministerien über Gesetzesvorhaben streiten, dann ist die logische Konsequenz üblicherweise der kleinste gemeinsame Nenner: Mit jeder neuen Beratung wird der Entwurf schwächer. Nicht selten hat das, was am Ende herauskommt, mit den hehren Zielen vom Anfang nicht mehr viel zu tun. Doch beim Klimaschutzplan der Bundesregierung könnte es nun ausnahmsweise andersherum laufen.

Am Freitag hat das Bundesumweltministerium einen neuen Entwurf verschickt, er ist die Grundlage für die Beratungen zwischen den Regierungsressorts. Plötzlich aber tauchen darin Ziele auf, die über jene früherer Entwürfe sogar hinausgehen. Vor allem hinsichtlich der Kohlekraftwerke lässt es der Entwurf an Deutlichkeit nicht fehlen. "Die Kohleverstromung wird verringert", heißt es darin. "Neue Kohlekraftwerke und Tagebauerweiterungen würden zu Fehlinvestitionen führen und werden daher unterbleiben." Für betroffene Regionen, vor allem die Braunkohlereviere im Rheinland und in der Lausitz, müssten "Strukturbrüche (...) vermieden werden". Der Verzicht auf weitere Investitionen in die Kohle sei, so heißt es an einer anderen Stelle, "im Sinne einer vorausschauenden Modernisierungspolitik". So viel Klarheit war lange nicht.

Damit beginnt, ausgerechnet mit Beginn der Klimakonferenz in Marrakesch, das Endspiel um die Braunkohle. Frühere Entwürfe hatten noch vorsichtig von einer "schrittweisen Reduzierung" des Kohlestroms gesprochen, doch selbst diese Passagen fielen zwischenzeitlichen Bereinigungen zum Opfer. Stattdessen geht der neue Entwurf nun noch weiter: Erstmals verlangt er, die Bundesregierung möge sich "auf europäischer Ebene für die Einführung eines Mindestpreises für zu versteigernde Zertifikate einsetzen".

Jahrelanger Überfluss hat die Preise gedrückt

Solche Mindestpreise gibt es bisher nur in Großbritannien, Frankreich liebäugelt mit der Einführung. Sie lösen ein Problem, das bei der Einführung des Emissionshandels keiner auf dem Schirm hatte: einen dauerhaft niedrigen Preis. Schließlich sollte der Emissionshandel eigentlich die Kohlendioxid-Emissionen von Industrie und Kraftwerken deckeln und so eine Nachfrage nach Emissionszertifikaten auslösen.

Wer nämlich CO₂ ausstößt, weil er Kraftwerke oder Fabriken betreibt, ist in der EU zum Kauf solcher Zertifikate verpflichtet. Doch der Überfluss ist derart groß, dass die Preise seit Jahren im Keller sind. Die Folge: Keiner betreibt Klimaschutz, jedenfalls nicht wegen des Emissionshandels. "Ein Mindestpreis würde dieses Dilemma beheben", sagt Ottmar Edenhofer, Chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. "Wenn wir irgendwann aus der Kohle aussteigen wollen, ist das genau der richtige Schritt."

Vor allem deutsche Braunkohlekraftwerke würde dies treffen, sie zählen zu den größten CO₂-Schleudern Europas. Entsprechend groß dürfte der Widerstand von Stromkonzernen und Energiewirtschaft ausfallen. Allerdings ist fraglich, ob sie an dem Regierungsentwurf noch viel werden ändern können: Für diesen Freitag und kommenden Montag sind Gespräche der Staatssekretäre anberaumt. Gelingt eine Einigung, könnte der Entwurf schon am Mittwoch das Kabinett passieren - gerade noch rechtzeitig, um eine Blamage auf der Klimakonferenz zu verhindern. Schließlich entstünde sonst der Eindruck, dass Deutschland zwar groß über Klimaschutz reden kann, aber an konkreten Taten scheitert.

Ottmar Edenhofer, Klima-Ökonom

"Wenn wir irgendwann aus der Kohle aussteigen wollen, ist ein Mindestpreis für Kohlendioxid genau der richtige Schritt."

Leicht wird eine Einigung nicht

Auch in anderen Bereichen ist der neue Entwurf ambitionierter als die vorigen Versionen. So ist wieder eine - zuvor gestrichene - Tabelle enthalten, die auch für den Verkehr, für Gebäude, die Industrie und die Landwirtschaft konkrete Zielmarken vorgibt. So müsste der Verkehr bis 2030 etwa 60 der zuletzt 160 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen - das entspricht einem Minus von fast 40 Prozent. Ohne viele neue Autos mit alternativen Antrieben wird das jedoch nicht zu schaffen sein. Die Industrie soll von zuletzt gut 180 auf 120 bis 125 Millionen Tonnen Kohlendioxid runter. Die Energiewirtschaft muss ihre derzeitigen Emissionen noch einmal halbieren - auf 170 bis 180 Millionen Tonnen im Jahr 2030.

Leicht allerdings wird die Einigung nicht. Einige Ministerien haben "Leitungsvorbehalte" eingelegt, so auch das Wirtschaftsministerium. Damit könnte der jeweilige Minister bei einzelnen Passagen noch ein Veto einlegen. Auch das Landwirtschaftsministerium sieht noch reichlich Klärungsbedarf. Zudem tritt mit dem jüngsten Entwurf ein neuer Spieler auf den Plan, der sich bisher zurückgehalten hat: Ausgerechnet das Finanzministerium dringt nun an vielen Stellen auf schwächere Formulierungen - und das nicht nur an solchen, die mit Geld zu tun haben.

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