Einzigartiger Studiengang:Mehr Lebensqualität für Demenzkranke

Einzigartiger Studiengang: Neben guter Pflege sind bei Demenz auch bauliche Aspekte wichtig.

Neben guter Pflege sind bei Demenz auch bauliche Aspekte wichtig.

(Foto: Mauritius)

Um Patienten zu helfen, vernetzt ein Master in Witten unterschiedliche Berufe.

Von Miriam Hoffmeyer

"Demenz für alle!" Mit diesem Slogan wirbt die nordrhein-westfälische Privatuniversität Witten/Herdecke für einen bundesweit einzigartigen Masterstudiengang: "Multiprofessionelle Versorgung von Menschen mit Demenz und chronischen Einschränkungen". Pflegewissenschaftler, Ärzte und Psychologen, aber auch Stadtplaner, Architekten, Sozialarbeiter, Ökonomen oder Politikwissenschaftler beschäftigen sich in der Stadt Witten gemeinsam mit der Frage, wie diesen Patienten ein besseres Leben ermöglicht werden kann. "Sich dem Thema nur auf der medizinischen Ebene zu nähern, ist zu kurz gedacht. Die Probleme von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen betreffen viele Bereiche des Alltags. Darum ist es so wichtig, nichtmedizinische Berufe mit einzubeziehen", sagt die Leiterin des berufsbegleitenden Teilzeitstudiengangs, Professor Ulrike Höhmann. Die Versorgungsforschung ist schon seit Langem ein Schwerpunkt der gesundheitswissenschaftlichen Fakultät in Witten.

"Ich habe festgestellt, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz in der Planung oft vernachlässigt werden", sagt die Architektin Christine Naumann, die ihr multiprofessionelles Studium vor zwei Jahren begonnen hat. "Mit Barrierefreiheit allein ist es nicht getan." Zwei Drittel aller Demenzpatienten werden in Privatwohnungen versorgt, die oft nicht an ihre Probleme angepasst seien, erklärt Naumann: "Ein Schrank, dem man von außen nicht ansieht, was darin ist, ist für Menschen mit Orientierungsschwierigkeiten ein Hindernis. Da können Glastüren oder eine Beschilderung helfen." Mit sensorgesteuerten Lampen lasse sich die Gefahr von Stürzen beim Aufstehen in der Nacht verringern. In ihrer Masterarbeit entwickelt die 33-Jährige jetzt eine Methode, um zu messen, wie groß der Nutzen solcher Verbesserungen im Wohnumfeld ist.

Christine Naumann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Fachbereichs "Architektur/Innenarchitektur" an der Hochschule Ostwestfalen/Lippe in Detmold. Die Detmolder Studenten haben bereits Konzepte für die Umgestaltung der gerontopsychiatrischen Station des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld entwickelt. Das Masterprojekt ergab sich daraus, dass Christine Naumann in Witten gemeinsam mit einem Arzt und einem Pfleger des Krankenhauses studiert. "Ich lerne viel von meinen Kommilitonen, denn jeder schaut aus seiner beruflichen Perspektive auf die gleiche Problematik", sagt sie.

Zu Beginn des dreijährigen Studiums beschäftigen sich die Teilnehmer mit medizinischen, pharmakologischen, psychologischen und rechtlichen Grundlagen. Danach arbeitet jeder an einem berufsbezogenen Projekt. Der 2012 gegründete Studiengang wird seit Beginn von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert. Das Studium führt nicht unbedingt zu einem höheren Einkommen. "Das ist keine Aufstiegsqualifikation, unsere Studierenden haben meist schon einen Masterabschluss", betont Ulrike Höhmann. Den im Durchschnitt 15 Teilnehmern pro Jahr gehe es vielmehr darum, ihr Tätigkeitsfeld zu erweitern.

Im Herbst hat der fünfte Jahrgang angefangen. Die wenigen Studierenden können die Versorgung Demenzkranker in Deutschland wohl kaum direkt verbessern. "Aber bei uns bilden sich kleine multiprofessionelle Netzwerke, über die sich Wissen weiter verbreitet", meint Höhmann. "Und wir hoffen natürlich, dass sich auf diese Weise doch nach und nach viel verändern lässt."

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