Verbrechen in Boston:Tote Putzfrau

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Ein früher Roman von Dennis Lehane, nach dessen Büchern Eastwood und Scorsese beklemmende Filme schufen.

Von Katharina Riehl

Dennis Lehane ist im Bostoner Stadtteil Dorchester aufgewachsen, was nicht verwundert, da Lehane aus einer irischstämmigen Familie stammt. Dorchester, so erklärt er es in seinem Roman "Ein letzter Drink", Dorchester ist "ein Dörfchen", in dem ein irischstämmiger Amerikaner bleibt, "weil man sich eine bequeme, wenn auch etwas ärmliche Existenz aufgebaut hat, in der mit keinen großen Veränderungen zu rechnen ist". In Dorchester waren alle "irisch, polnisch oder etwas, das als irisch oder polnisch durchging".

Dennis Lehane: Ein letzter Drink. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs. Diogenes Verlag, Zürich 2016. 368 Seiten, 16 Euro. (Foto: verlag)

"Ein letzter Drink" ist das erste Buch von Dennis Lehane, er soll es innerhalb weniger Wochen geschrieben haben. Es erschien 1994 unter dem Titel "A Drink Before the War" in den USA, wurde im selben Jahr mit dem Shamus Award ausgezeichnet - und nun ein zweites Mal ins Deutsche übersetzt. Es ist der Auftakt zu einer kleinen Reihe, in deren Mittelpunkt der Privatdetektiv Patrick Kenzie steht, ein irischstämmiger Amerikaner aus Dorchester, Boston. Kenzies Vater war in dieser Welt, dem ärmlichen Dörfchen, ein Held: ein Feuerwehrmann, der Kindern selbstlos das Leben rettete. Und der zu Hause seine eigene Familie verprügelte. In Dorchester aber kann eine solche Realität einem Helden kaum etwas anhaben.

Diese Welt gerät nun in Kontakt mit der großen Politik, die von Dorchester im Grunde nicht viel wissen will, nicht vom weißen Teil der Stadt - und erst recht nicht vom schwarzen, in dem Banden entscheiden, wer es nachts lebend nach Hause schafft. Drei feine Herren aus dem Bundessenat nehmen Kontakt zu Kenzie auf, er soll Dokumente zurückbringen, die eine Putzfrau aus einem Parlamentsbüro gestohlen haben soll. Es dauert nicht lange, bis diese Frau von Kugeln durchsiebt wird und der Privatermittler Patrick und seine Kollegin Angie sich fragen, ob sie in dieser Angelegenheit auf der richtigen Seite stehen.

Das düstere Amerika: Rassismus und ein prügelnder Heldenvater

Der vierte Teil der Detektivreihe um Patrick und Angie ist 2007 von Ben Affleck verfilmt worden, "Gone Baby Gone" hat diverse Preise gewonnen und ist nur eine von vielen erfolgreichen Lehane-Verfilmungen. Auf seinem gleichnamigen Roman beruht Clint Eastwoods Missbrauchsfilm "Mystic River", für den Sean Penn und Tim Robbins beide einen Schauspieler-Oscar gewannen. In "Shutter Island" von Martin Scorsese kommt Leonardo DiCaprio als Ermittler in ein Irrenhaus und dann nicht mehr hinaus. Auch diese beiden Geschichten spielen im Großraum Boston.

"Ein letzter Drink" ist verglichen mit diesen komplexen Geschichten nur ein sehr solider, aber unterhaltsamer Krimi. Erzählt wird aus der Perspektive des geprügelten Heldensohns Patrick Kenzie, der - schwer verliebt in seine Ko-Ermittlerin - dicke Knarren, Rassismus in Boston und seine düstere Kindheit verknüpft. 2010 erschien der sechste und bislang letzte Teil der Reihe.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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