US-Wahl 2016:Wahlkampfabschluss als Familiensache

Zum Ende des Wahlkampfs feiern 33 000 Fans Hillary Clinton. Bruce Springsteen singt, die Präsidenten Bill Clinton und Obama reden. Doch es gelingt Michelle Obama am besten, Trump zu demontieren.

Von Matthias Kolb, Philadelphia

Zum Ende des Wahlkampfs hat es Hillary Clinton ihrem Gegner Donald Trump noch mal gezeigt. Der Republikaner spottet seit Monaten, dass zu Clintons Events nur einige Hundert Besucher kämen, während er halbe Stadien fülle. Am letzten Abend vor der Präsidentschaftswahl versammeln sich 33 000 Menschen in Philadelphia auf der Independence Mall: Sie eint der Wunsch, mit Hillary Clinton erstmals eine Frau ins Weiße Haus zu wählen. Die Chancen stehen gut, in den allerletzten Umfragen hat die Demokratin zugelegt - aber sicher ist nichts.

In gewisser Hinsicht ist dieser Abend eine Mini-Version des Wahlkampfs. Weil die Schlangen lang und die Sicherheitskontrollen enorm sind, dauert es ewig, bis sich etwas tut. Zu Clintons Unterstützung treten neben einem All-Star-Team der Demokraten die Popstars Jon Bon Jovi und Bruce Springsteen auf. Der "Boss" singt drei Lieder ("Thunder Road", ''Long Walk Home" und "Dancing in the Dark") und ruft, dass die Entscheidung zwischen Clinton und Trump nicht eindeutiger sein könnte. Auch dies ist typisch für den Wahlkampf: Trump ist auch an diesem Abend dauerpräsent.

Die ersten Reden halten jene, die in den Neunzigern schon mal zur First Family gehörten und diese Rolle vom 20. Januar an gern wieder übernehmen würden. Tochter Chelsea bedankt sich bei den Freiwilligen und Aktivisten, die für ihre Mutter an Türen geklopft und Wähler registriert hätten. Die 36-Jährige hat sich selten ins Rampenlicht gedrängt, und dies ist an diesem Abend wieder so. Und auch Ex-Präsident Bill Clinton, der im Wahlkampf eine Nebenrolle gespielt hat, fasst sich kurz. Er lobt seine Frau als Idealistin, die Amerika voranbringen werde - und kündigt dann die "beste Stellvertreterin" an, die sich ein Kandidat wünschen könnte: First Lady Michelle Obama.

Die 51-Jährige redet nur knapp zehn Minuten, doch sie sorgt mit ihrer typischen Mischung aus Leichtigkeit und Leidenschaft für den größten Applaus. Es sei "aufregend", dass in einem Tag erneut Geschichte geschrieben und eine Frau zur Präsidentin gewählt werde, sagt sie. Obama lobt Clinton als überaus qualifizierte Kämpferin - und bezeichnet es als ihre letzte und vielleicht wichtigste Aufgabe als First Lady, hier an dieser Stelle für Clinton zu werben.

Michelle Obama kritisiert Trump - indirekt und wirksam

Und dann nimmt Michelle Obama erneut Donald Trump auseinander, ohne seinen Namen auch nur ein Mal zu nennen. Es sei wichtig, dass der Nachfolger ihres Mannes vom ersten Tag an als Oberbefehlshaber agieren könne und diese Aufgabe ernst nehme. "Es braucht jemanden, der dafür sorgt, dass unsere Töchter in Sicherheit sind und respektiert werden - und dass unsere Söhne verstehen, dass starke Männer mitfühlend und freundlich sind", ruft Obama und jeder der 33 000 Menschen in Philadelphia weiß, auf welche Aussagen Trumps sie anspielt.

Wie bei anderen Auftritten (mehr hier) mahnt sie die jungen Amerikaner, nicht aus Spaß einen Protestkandidaten wie Jill Stein oder Gary Johnson zu wählen. "Jede Stimme, die Hillary nicht bekommt, hilft ihrem Gegner", ruft sie. Alle Kräfte müssten mobilisiert werden, denn oft entschieden nur zehn Stimmen, ob die Demokraten einen Wahlbezirk verlieren oder gewinnen.

Zum Abschluss beschreibt sie mit wenigen Sätzen jenes bunte Amerika, für das die Obamas als First Family stehen. Die USA seien das "großartigste Land der Welt", schwärmt sie, weil es jemand wie sie aus dem Schwarzenviertel Chicagos an die besten Unis schaffen kann. Und weil es mit Bill Clinton ("dem Sohn einer alleinerziehenden Mutter aus Hope, Arkansas") und ihrem Mann (als Sohn einer Frau aus Kansas und einem Kenianer in Hawaii geboren) auch Politiker ins Weiße Haus schaffen, deren Biografien ungewöhnlich seien. Selbst die Worte, mit denen Michelle Obama ihren Mann vorstellt, sind ein Seitenhieb auf Donald Trump. Sie sei nicht nur stolz, was Amerikas erster schwarzer Präsident erreicht habe, sondern auch wie er das getan habe.

Obama witzelt und Hillary Clinton spricht von der "größten Prüfung"

Im Vergleich zur Rede seiner Frau wirkt der Auftritt von Barack Obama routiniert. Auch an diesem Montag hat er drei Mal für Hillary Clinton Wahlkampf gemacht, denn es geht auch um sein politisches Erbe: Ein Präsident Trump könnte viele von Obamas Reformen im Alleingang rückgängig machen.

Der Präsident lobt wie immer seine Regierungsbilanz und ruft die Zuhörer auf, unbedingt die Demokratin Katie McGinty in den Senat zu schicken: "Hillary braucht dort eine Mehrheit." Den Republikaner-Kandidaten Trump nennt Obama erneut "auf einzigartige Art unqualifiziert" und spottet über jene Medienberichte, wonach Trumps Strategen dem Geschäftsmann verboten haben, sich auf Twitter zu äußern. "Wenn seine Berater ihm nicht mal vertrauen, wenn es um Tweets geht - warum sollten wir ihm dann die Codes für die Atomwaffen anvertrauen?"

Hillary Clinton tritt als Letzte auf und bezeichnet die heutige Wahl als "größte Prüfung unserer Zeit". Dass die Großkundgebung in Philadelphia stattfindet, ist natürlich kein Zufall: Clinton braucht die Wähler der Großstadt, um im wichtigen Bundesstaat Pennsylvania zu siegen. Und unweit jenes Platzes, wo Clinton nun spricht, wurde 1776 die amerikanische Unabhängigkeitserklärung verlesen.

Clinton, deren rhetorische Fähigkeiten weit hinter denen ihres Mannes und der Obamas zurückbleiben, wirbt selbstbewusst um die Stimmen der Amerikaner. "Ihr habt die Wahl zwischen einer verlässlichen und starken Staatsführung und einem unsicheren Kantonisten, der alles aufs Spiel setzt", ruft sie der jubelnden Menge zu.

In wenigen Stunden weiß die Welt, für welche der beiden Möglichkeiten sich Amerikas Wähler entschieden haben.

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