Adipositas-Behandlung:Fett weg

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Süßes Eis oder süße Drinks mögen ja schmecken, aber sie machen dick. Die DAK fordert deshalb eine Ernährungsberatung für Übergewichtige. (Foto: Julian Straten/dpa)

16 Millionen Menschen sind fettleibig, Tendenz steigend. Die DAK fordert ein Umdenken bei der Behandlung von übergewichtigen Menschen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Obwohl es in Deutschland immer mehr fettleibige Menschen gibt, werden diese medizinisch gar nicht, falsch oder unzureichend behandelt. Die DAK-Gesundheit, mit fast sechs Millionen Mitgliedern eine der größten Krankenkassen in Deutschland, fordert deshalb, die Versorgung von stark übergewichtigen Menschen neu zu regeln und die Ernährungstherapie gesetzlich als Heilmittel zuzulassen. Nach Angaben der DAK haben 2015 gerade einmal ein Prozent der Versicherten mit der Diagnose Adipositas (chronische Fettleibigkeit) die Kosten für eine Ernährungsberatung erstattet bekommen. Die gilt aber als Schlüssel, damit bei adipösen Menschen die Pfunde purzeln.

"Anstatt auf Wunderpillen oder Wunderdiäten zu warten", müssten anerkannte Therapien gegen krankhaftes Übergewicht in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden, sagte Herbert Rescher, Vorstandschef der DAK-Gesundheit bei der Vorstellung des "DAK-Versorgungsreports 2016 Adipositas". Insellösungen einzelner Kassen reichten nicht aus.

16 Millionen Menschen sind in Deutschland fettleibig. Tendenz steigend

Das Problem ist seit Jahren bekannt: Etwa 16 Millionen Menschen sind in Deutschland fettleibig, Tendenz steigend. Das heißt, jeder Vierte zwischen 18 und 79 Jahren hat mittlerweile einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30. Berechnet wird die Ziffer, indem man das Körpergewicht durch die Größe im Quadrat teilt. Der BMI ist nicht ganz unumstritten, weil er die persönliche Körperform und die Verteilung, sowie den Anteil des Fetts nicht berücksichtigt, gilt aber nach wie vor als wichtiger Indikator. Eine Frau von 1,70 Metern wird demnach ab 87 Kilogramm als krankhaft fett eingestuft.

Die steigende Zahl der Fettleibigen hat für das Gesundheitssystem dramatische Folgen: Adipositas gilt laut DAK als Auslöser für mehr als 60 Begleiterkrankungen, darunter Diabetes, Krebs, Herzkreislaufleiden und Depressionen. Die direkten und indirekten Kosten werden auf mehr als 50 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Die Zahl der Magenoperationen bei fettleibigen Menschen hat sich allein bei der DAK in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Bundesweit 350 Kliniken sollen die recht teuren Eingriffe bereits anbieten.

Die DAK schlägt nun vor, im Kampf gegen die Fettleibigkeit zunächst Adipositas als behandlungsbedürftige chronische Erkrankung anzuerkennen. Alle Patienten mit einem BMI von mehr als 30 sollten Anspruch auf eine Erstuntersuchung durch einen Arzt haben, der ernährungsmedizinisch qualifiziert ist. Dieser könnte eine Ernährungstherapie begleiten. Danach sollte es je Quartal drei Folgetermine geben sowie sechs Termine mit einer Ernährungsfachkraft, um mit dem Patienten eine bessere Ernährung zu planen und konkrete Ziele zu vereinbaren. Magen-Operationen empfiehlt die DAK für besonders stark Übergewichtige mit einem BMI ab 40. Diese seien aber zwingend mit einer systematischen Langzeitbetreuung zu verknüpfen sagte der Mitautor des Reports, Professor Matthias Blüher.

Die Kosten für die Krankenkassen würden durch die neue Basis-Therapie zunächst erheblich steigen. Langfristig erwartet sich die DAK aber einen Einspareffekt, wie eine Hochrechnung des IGES Institut zeigt. Danach wären nach zehn Jahren zwei Millionen Menschen weniger adipös als mit der heutigen Versorgung. Nach 20 Jahren würde die Zahl der krankhaft Fettleibigen um eine weitere Million zurückgehen. Auch die Zahl der Todesfälle wegen Adipositas ließe sich so deutlich verringern. Klappen kann all dies aber nur unter einer Voraussetzung: Die Ernährungstherapien müssen schon wirklich dabei helfen, die viel zu großen Fettpolster verschwinden zu lassen.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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