Kommentar:Satire-Aktion "Checkpoint Ali" ist geschmacklos und gefährlich

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Die Satire-Aktion "Checkpoint Ali" an der Perlacher Mauer. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Denn sie vergleicht die umstrittene Perlacher Schallschutzwand mit der Berliner Mauer. Das verhindert eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema.

Kommentar von Anna Hoben

Ein Zeichen ist etwas, das auf etwas anderes hindeutet, und die Mauer in Perlach ist demnach nicht nur ein Bauwerk, sondern auch ein Zeichen. Weil man auf diese Mauer schauen kann, ja, schauen muss mit der Frage, wohin sie deutet. Die Antwort ist klar, da muss man kein Wissenschaftler sein und kein Satiriker, da reicht der gesunde Menschenverstand: Die Mauer symbolisiert Abschottung, sie symbolisiert Ausgrenzung. Wir hier, die da drüben.

Die Schallschutzwand von Perlach, mittlerweile international bekannt als "die Mauer von München", ist unschön und überdimensioniert. Die Stadt hat sich auf diesen Kompromiss mit den klagenden Anwohnern eingelassen, damit die Unterkunft für jugendliche Flüchtlinge überhaupt gebaut werden konnte - davon kann man halten, was man will. Die Hintergründe dieses Kompromisses sind vielschichtig, und die Anwohner wären wohl auch vor Gericht gezogen, wenn in ihrer Nachbarschaft ein Sportplatz hätte entstehen sollen.

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Von Anna Hoben

Solche Hintergründe freilich spielen überhaupt keine Rolle mehr, wenn jemand findet, es sei an der Zeit, mal ein Zeichen zu setzen. So wie nun die Macher der Aktion "Checkpoint Ali". Da muss man sich nicht mit Inhalten beschäftigen, es reicht eine Assoziationskette: Münchner Mauer - Berliner Mauer - Checkpoint Charlie - Checkpoint Ali - 9. November - Maueröffnung.

Satire darf alles, sie darf auch plump und geschmacklos sein. Und geschmacklos ist der Vergleich angesichts von mindestens 138 Menschen, die an der Berliner Mauer getötet wurden. Der Bezirksausschusspolitiker Guido Bucholtz hat den Vergleich mit seinem Drohnenvideo in die Welt gesetzt, andere haben ihn nachgeplappert. Doch was soll die Satire in diesem Fall eigentlich bezwecken? Die Leute vom "Checkpoint Ali" wollen für Toleranz und Weltoffenheit werben. Mit ihrer plakativen Aktion ersticken sie jedoch jede inhaltliche Diskussion im Keim, die auch Argumente anderer ernst nimmt - bei einem höchst sensiblen Thema. So bleibt die Aktion ein skurriles Happening, das schlimmstenfalls dazu beiträgt, gesellschaftliche Gräben weiter zu vertiefen.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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