US-Reaktionen:Verspäteter Protest

Während sich demokratische Parteigrößen um Zurückhaltung bemühen, treibt die Wut über das Wahlergebnis viele Trump-Gegner auf die Straße.

Von Sacha Batthyany, Washington

In der Wahlnacht war es auf den Straßen New Yorks noch seltsam ruhig. Einen Tag später aber blockierten Hunderte Menschen die Fifth Avenue vor dem Trump Tower und riefen im Chor: "Trump ist nicht unser Präsident!"

Nicht nur in New York, im ganzen Land kam es zu Demonstrationen gegen den neu gewählten Präsidenten der USA. Von Boston bis Austin, überall organisierten Trump-Gegner kleinere Kundgebungen, die meist friedlich blieben. In Los Angeles saßen die Protestierenden auf der Autobahn. Mehr als 6000 Menschen waren auch in Oakland, Kalifornien, auf den Straßen, zündeten Mülleimer an und schlugen Schaufenster ein. In Chicago versammelten sich etwa 2000 Menschen vor dem Trump-Hotel in der Innenstadt und riefen: "No Trump! No KKK! No racist USA!" Der Ku-Klux-Klan hatte während des gesamten Wahlkampfes immer wieder die Nähe zu Trump gesucht. Trump aber ließ verkünden, mit Hassgruppen nichts zu tun haben zu wollen.

Warum erst jetzt die Demonstrationen? "Weil wir nicht damit gerechnet haben"

Um Rassismus ging es auch einer Gruppe Studenten in Los Angeles, alles Latinos, die sich über Trumps Pläne beschwerten, die papierlosen Immigranten abschieben zu wollen. Trump hatte in seinem Wahlkampf immer wieder angekündigt, nicht nur eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen zu wollen, sondern auch die etwa elf Millionen illegal Eingewanderten in ihre Herkunftsländer abzuschieben.

"Das sind unsere Eltern", sagt Stephanie Hipolito, eine der Demonstrantinnen. Die Kinder der Papierlosen, alle in den USA geboren, bezeichnen sich als "Dreamer"-Generation. Dream bedeutet auf Englisch nicht nur Traum, es ist die Abkürzung eines Gesetzentwurfs (Development, Relief and Education for Alien Minors). Der Entwurf sieht unter anderem vor, den Kindern der Papierlosen eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu ermöglichen, doch er scheiterte jeweils am republikanisch dominierten Kongress.

"Wir wollen hier Wurzeln schlagen und nicht dauernd mit einer Abschiebung rechnen", sagt Stephanie Hipolito, doch genau das trete mit einem Präsidenten Trump ein. Deshalb protestiere sie. Sie wolle darauf aufmerksam machen, dass Millionen Jugendliche in den USA, deren Eltern aus Lateinamerika stammen, von nun an in Angst leben.

Auf die Frage, warum sie erst jetzt auf die Straße gingen und sich nicht schon vorher gegen einen möglichen Präsidenten Trump gewehrt hätten, antwortete eine Gruppe Frauen in New York: "Weil wir nicht damit gerechnet haben." Sie seien sich sicher gewesen, dass Hillary Clinton die nächste Präsidentin werde, sagten sie. So wie dieser Gruppe ging es vielen im Land. Noch am Nachmittag des Wahltags schrieb die New York Times, Clinton würde die Wahlen zu 80 Prozent gewinnen. Auf der Webseite der Huffington Post standen ihre Siegeschancen gar bei 98 Prozent. Viele Demonstranten sind wütend auf die Medien, weil sie das Gefühl haben, in die Irre geleitet worden zu sein. Sie wähnten sich in Sicherheit, glaubten, dass Clinton ins Weiße Haus einziehen würde.

Ob die Proteste in den kommenden Tagen andauern oder sich gar ausweiten werden, ist allerdings völlig offen. Die Parteigrößen der Demokraten zeigten sich als faire Verlierer und gratulierten Trump zum Sieg - wohl auch, um die angespannte Stimmung nicht aufzuheizen. Ähnlich wie Clinton in ihrer Rede nach der Wahlniederlage forderte Fraktionsvorsitzende Nancy Pelosi eine "schnelle und friedliche" Machtübergabe.

Es sieht alles danach aus, dass sich die Fronten in dem gespaltenen Land noch verhärten werden

Chuck Schumer, Senator aus New York, dem die Rolle zukommen wird, die Opposition zu Trump zu organisieren, rief die Menschen dazu auf, das Resultat zu akzeptieren. "Wir können uns keine gewalttätigen Auseinandersetzungen auf der Straße leisten", so Schumer. Zwar betonte Trump nach Bekanntgabe des Wahlresultats, er werde ein Präsident "für alle Amerikaner" sein. Doch die Protestierenden nehmen ihm diesen Satz nicht ab. Nicht nach diesem langen und hässlichen Wahlkampf, in dem Trump gegen Muslime hetzte, gegen Immigranten und Mexikaner und in dem er sich über Frauen und Behinderte lustig machte. "Man kann das alles nicht einfach vergessen", sagten Demonstranten in New York in die Kameras und hielten ihre Transparente in die Luft: "Trump ist nicht unser Präsident." Der Satz machte auch in den sozialen Medien als Hashtag die Runde. Er weist darauf hin, dass sich die Fronten in diesem stark gespaltenen Land noch verhärten werden.

Ein bekannter Fürsprecher dieses frühen Trump-Protestes ist der Filmemacher Michael Moore, dessen Dokumentarfilm "Trumpland" kurz vor den Wahlen in einigen US-Kinos gezeigt wurde. Moore hat immer vor einem Sieg Donald Trumps gewarnt, auch als es gar nicht danach aussah. Jetzt ruft er auf Facebook zum Widerstand auf. "Sämtliche der sogenannten Umfrageexperten sollten entlassen werden", schrieb er. Jeder demokratische Kongressabgeordnete, der am Tag nach den Wahlen nicht aufgewacht sei mit der Motivation, alles zu tun, um Trump zu bekämpfen, müsse seinen Platz räumen. Auch Schockstarre sei nicht angebracht, so Moore, es sei Zeit zu handeln.

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