Bundespräsidentenwahl:Alles spricht für Kretschmann - und er wird doch nicht Bundespräsident

Landtagswahl Baden-Württemberg

Für Grüne und Union hätte es strategische Vorteile, wenn Winfried Kretschmann Bundespräsident würde.

(Foto: Marijan Murat/dpa)
  • In der Diskussion um die Nachfolge des Bundespräsidenten Joachim Gauck fällt immer wieder der Name Winfried Kretschmann.
  • Seine Kandidatur brächte Grünen und Union strategische Vorteile. Dennoch ist sie unwahrscheinlich.

Von Thorsten Denkler, Münster

Winfried Kretschmann hätte das deutlicher sagen könne, wenn er wirklich nicht am Amt des Bundespräsidenten interessiert wäre. Nein, sagte er am Rande des Grünen-Parteitages in Münster, "ich strebe das Amt nicht an". Was ungefähr nichts sagt. Und: "Ich bin gern Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Und es wird auch sehr, sehr, sehr wahrscheinlich so bleiben." Was nicht nichts heißt, aber eben auch nicht, dass ein Wechsel ins Schloss Bellevue völlig unwahrscheinlich ist.

An diesem Sonntag treffen sich jedenfalls die Spitzen der Koalition, um auszuloten, ob sie sich noch auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können. Es ist ja schon Trauerspiel genug, dass die Union nicht in der Lage zu sein scheint, einen eigenen Kandidaten zu präsentieren. Die SPD will es mit ihrem beliebten Außenminister Frank-Walter Steinmeier versuchen, wenn es keinen Konsenskandidaten gibt. Die Union hat sie damit ganz schön unter Druck gesetzt.

In der Bundesversammlung, die Mitte Februar in Berlin zusammenkommt, kann die Union keine absolute Mehrheit organisieren. Auch nicht zusammen mit der FDP. Und nicht mal mit der AfD. Es müssten schon die Piraten und auch noch die Freien Wähler dabei sein. Höchst unwahrscheinlich. (Hier eine Übersicht über die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung)

Die SPD wiederum könnte, wenn im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit reicht, zusammen mit Grünen und Linken einen eigenen Kandidaten gegen die Union durchzusetzen.

Und da kommt Kretschmann ins Spiel.

Zunächst: Es ist tatsächlich so wie Kretschmann sagt. Die Chance, dass er der gemeinsame Kandidat von Union und Grünen wird, ist sehr, sehr gering. Das liegt vor allem an der CSU. Deren Chef Horst Seehofer versteht sich persönlich ganz gut mit Kretschmann. Aber die gemeinsame Nominierung eines Grünen-Politikers dürfte er seinen Leuten kaum verkaufen können.

Strategisch aber spricht einiges für eine Nominierung des grünen Ministerpräsidenten:

  • Union und Grüne hätten zusammen die absolute Mehrheit. Die Bundespräsidenten-Wahl wäre eine klare Sache. Ein Wahlgang. Das war es.
  • Die Union bliebe Herrin des Verfahrens. Sie müsste zwar die Kröte schlucken, einen grünen Kandidaten vorzuschlagen. Aber Kanzlerin Merkel könnte ihn immerhin als Kandidaten auch der Union präsentieren. Und liefe nicht Gefahr, mit einer Abstimmungsniederlage in der Bundesversammlung in das Jahr der Bundestagswahl zu gehen.
  • Für die CDU in Baden-Württemberg wäre das ein Segen. Kretschmann ist dort das Zugpferd der Grünen. Ohne ihn hätten die Grünen im Ländle bei der Wahl im vergangenen März kaum wieder stärkste Kraft werden können. Geht er ins Schloss Bellevue, dann steigen die Chancen der CDU dramatisch, wieder die führende Kraft in Baden-Württemberg zu werden.
  • Für die Grünen wäre ein Bundespräsident aus ihren Reihen ein historischer Sieg, der alles andere in den Schatten stellt. Kretschmann wäre im höchsten Staatsamt zwar der politischen Neutralität verpflichtet. Aber jeder wüsste, aus welcher Partei er kommt.
  • Die Grünen hätten zudem lange genug Zeit, sich in Baden-Württemberg mit einem neuen Ministerpräsidenten auf die Wahl im Jahr 2021 vorzubereiten. Wer das werden könnte? Finanzministerin Edith Sitzmann wäre wohl die erste Wahl. Vorstellbar wäre aber auch Grünen-Chef Cem Özdemir. Der will zwar Spitzenkandidat der Partei im Bundestagswahlkampf werden. Aber er weiß inzwischen auch, wie mächtig ein grüner Ministerpräsident sein kann. Er wäre der erste Muslim an der Spitze einer Landesregierung. Was für ein Signal.

Die Union könnte die Grünen aber noch mit einem anderen Angebot locken: Wenn sie gemeinsam die erste Frau ins höchste Staatsamt heben. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird da immer wieder genannt. Sie hält sich bedeckt, dementiert eher. Aber sie hat auch gelernt aus der Debatte vor der Bundespräsidentenwahl 2012. Da stand sie schon so gut wie fest, sie hatte sich auch schon weit aus dem Fenster gelehnt. Und dann wurde es doch Joachim Gauck, weil im letzten Moment die FDP zu Gauck schwenkte.

Kramp-Karrenbauer könnte ein Angebot sein

Eine andere Frau könnte die CDU-Ministerpräsidentin des Saarlandes sein, Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hat auch schon mit den Grünen regiert. Die Koalition aus CDU, FDP und Grünen 2012 scheiterte nach Auffassung vieler Grüner eher nicht an der CDU. Kramp-Karrenbauer könnte also ein Angebot sein.

Natürlich: Über diese Fragen wird an diesem Sonntag noch nicht entschieden. Denn da sitzen die Grünen erstmal nicht mit am Tisch. Wenn es doch noch eine Einigung gibt zwischen den drei Parteichefs von CDU, CSU und SPD, dann hat sich das Thema ohnehin erledigt. Wenn aber nicht, dann ist alles offen.

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