Kolumbien:Dem Frieden eine zweite Chance geben

Menschen tanzen auf den Straßen Bogotas.

Menschen tanzen auf den Straßen der kolumbianischen Hauptstadt Bogota. Sie feiern die Einigung auf den zweiten Friedensvertrag für das Land, nachdem das erste Abkommen vor sechs Wochen bei einem Referendum durchfiel.

(Foto: AFP)
  • Präsident Juan Manuel Santos hat mit den Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) einen neuen Friedensvertrag ausgehandelt, der den Kritikern der alten, gescheiterten Version entgegenkommt.
  • Der neue Friedensvertrag muss noch das Parlament passieren.
  • Das neue Abkommen muss so schnell wie möglich realisiert werden, die derzeitige Waffenruhe ist labil.

Von Benedikt Peters, Santa Marta, und Sebastian Schoepp

Sechs Wochen ist es her, dass der Frieden in Kolumbien völlig überraschend an einem Referendum scheiterte. Doch Präsident Juan Manuel Santos hat nicht aufgegeben. Mit dem Friedensnobelpreis im Rücken hat seine Regierung nun mit den Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) einen neuen Vertrag ausgehandelt, der den Kritikern der alten Version entgegenkommt.

Nicht nur in Kolumbien war darüber bei vielen Menschen, die nach fünf Jahrzehnten Bürgerkrieg auf Frieden hoffen, Erleichterung zu spüren. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, offenbar noch immer unter dem Trump-Schock, sagte am Sonntag: "In einer Welt aus den Fugen ist die neue Einigung auf einen Friedensvertrag in Kolumbien ein Zeichen der Hoffnung."

"Wir haben einen neuen Vertrag für alle erreicht", sagte Präsident Santos. Er betonte, dass mehr als 500 Änderungsvorschläge von allen gesellschaftlichen Gruppen eingegangen seien; eine besondere Rolle spielten Geistliche, oft die einzigen, denen sowohl Rebellen wie Regierung vertrauen.

Auch mit seinem härtesten Widersacher, dem Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, hat Santos sich getroffen. Sein Vorgänger und früherer Chef bestand auf einer sehr viel härteren Gangart gegenüber den Rebellen. Uribe sagte nun, er brauche Zeit, um den neuen Vertrag zu prüfen.

Farc-Verhandlungsführer Ivan Márquez betonte, die Guerilla habe viele Zugeständnisse gemacht. "Das neue Friedensabkommen ist ein Sieg für Kolumbien", fügte er hinzu. Besonders umstritten war die Aburteilung von Kämpfern. Dafür soll es Sondergerichte geben, die maximal acht Jahre Haft verhängen. Das war Uribe zu weich.

Landreform und Entschädigung der Opfer

Laut der neuen Version soll sichergestellt werden, dass die Verurteilten ihre Strafen wirklich im Gefängnis verbüßen und nicht in einer Art Arrest. Außerdem soll die Möglichkeit, Widerspruch gegen Urteile einzulegen, erweitert werden. Neben einer Landreform sieht der neue Vertrag eine Entschädigung der Opfer vor. Die Guerilla muss dafür ihr gesamtes Vermögen offenlegen.

Der schwierigste Punkt aber bliebt eine politische Beteiligung der Rebellen. Die Kritiker lehnen ab, dass Farc-Kämpfer künftig als Abgeordnete im Kongress sitzen. "Ich sage es mit aller Offenheit. In diesem Punkt haben wir keine Einigkeit erreicht", gab Santos zu.

Eine neue Volksabstimmung wird der Präsident wohl kaum riskieren, die Zustimmung des Parlaments reicht. Auch in diesem Punkt muss er auf harte Kritik gefasst sein.

Derzeitige Waffenruhe sehr labil

Wie schwierig eine Einigung mit Uribe werden kann, zeigte sich kurz vor der Einigung bei einem Gespräch in der Hauptstadt. Der Senator sagte zu ausländischen Journalisten, er und seine Partei Centro Democrático seien zwar grundsätzlich bereit, einem Abkommen mit den Farc zuzustimmen. Aber die geplante politische Vertretung der Guerilla im Parlament kritisierte er scharf: "In unserer Regierungszeit sind die Anführer der bewaffneten Gruppen ins Gefängnis gegangen. Jetzt ändert man die Gesetze, damit die Verbrecher ins Parlament gewählt werden können", sagte der frühere Präsident, der von 2002 bis 2010 regierte und die Farc stark schwächte - es waren mit die blutigsten Jahre des Krieges.

Santos war damals sein Verteidigungsminister, seit dieser selbst Präsident ist, fährt er einen versöhnlichen Friedenskurs.

Uribe meint nun, die Regierung von Santos und sein Abkommen könnten dazu führen, dass sich Kolumbien "in ein weiteres Venezuela verwandelt". Der frühere Kriegspräsident ist stets bemüht, seine Leistungen herauszustellen. Mehr als 35 000 Paramilitärs und 18 000 Guerilleros seien in seiner Amtszeit demobilisiert worden, sagte er vor Journalisten.

Allerdings gibt es Zweifel an diesen Zahlen. Kritiker werfen Uribe vor, gemeinsame Sache mit rechten Paramilitärs gemacht zu haben.

Politische Beobachter in Bogotá bezeichnen die derzeitige Waffenruhe als sehr labil. Beide Seiten seien wohl bemüht, so schnell wie möglich das neue Abkommen zu realisieren - in jedem Fall noch vor der Weihnachtspause des Parlaments.

Viele Farc-Kämpfer halten sich angeblich bereits in der Nähe der geplanten Demobilisierungs-Zonen auf, sind also leicht lokalisierbar. Sie haben Angst, dort in Gefechte verwickelt oder gefangen genommen zu werden. Da die Guerilla inaktiv ist, schwinden außerdem ihre Einkünfte. Laut einem Beobachter fällt es ihnen schwer, ihre Leute zu versorgen.

"Noch kein Tag zum feiern"

Ein ehemaliger Farc-Kämpfer, der jetzt in Bogotá Sozialwissenschaften studiert, sagt: "Ich freue mich über das Abkommen. Das gibt den Kämpfern die Möglichkeit, zurück ins gesellschaftliche Leben zu finden. Auch wenn das nicht einfach wird."

Kolumbien: Langsamer Tanz in den Frieden: In Kolumbiens Hauptstadt Bogotá feiern die Menschen den zweiten Anlauf zur nationalen Versöhnung.

Langsamer Tanz in den Frieden: In Kolumbiens Hauptstadt Bogotá feiern die Menschen den zweiten Anlauf zur nationalen Versöhnung.

(Foto: Guillermo Legaria/AFP)

In Santa Marta, einer Stadt in der früher stark umkämpften Provinz Magdalena, sind die Leute skeptisch, was das neue Abkommen angeht. "Das ist noch kein Tag zum Feiern", sagt Brenda Bertel Bettin, eine Bankkauffrau. "Wir wissen nicht, ob das jetzt wirklich Frieden bedeutet. Wir sind schon oft enttäuscht worden."

Ähnlich sieht es Hugo Mesa García. Der 30-jährige Student engagiert sich in der Friedensbewegung: "Ich freue mich, dass nun die Einigung da ist. Aber ob sie hält, wissen wir nicht."

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