Geheimdienste:Die Blackbox BND schirmt sich ab

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Die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin. (Foto: dpa)

Was tut er? Was lässt er? Was bringt er? Kaum jemand weiß etwas über die Arbeit dieses Dienstes. Jetzt erlauben die Bundesverfassungsrichter sogar, dass er die Verfassung ignoriert.

Kommentar von Ronen Steinke

Was tut der deutsche Auslandsgeheimdienst für sein Geld? Mehr als 6000 Mitarbeiter hat er, eine gerade neu gebaute Zentrale, die auch als die eines Weltkonzerns durchgehen könnte, und einen hübschen, sogar wieder kräftig wachsenden Etat, größer als der des Justizministeriums. Die ganze Organisation ist schon jetzt so groß wie zwei Bundesministerien, zudem schwer bewaffnet und verteilt auf Standorte von Bagdad über Ankara bis Peking.

Da kann man als Steuerzahler oder erst recht als Abgeordneter schon neugierig werden: Was sind das für "deutsche Interessen", denen dies alles dient und unter denen man ja, je nach Standpunkt, die verschiedensten Dinge verstehen könnte (und nicht nur in der Frühgeschichte der Republik auch schon ein paar üble Dinge verstanden hat)?

Die Parlamentarier wissen kaum etwas. Die Gerichte wissen kaum etwas. Die Journalisten wissen auch kaum etwas, wenn nicht gerade ein Whistleblower auf eigenes Risiko Recht bricht. Das ist für einen Rechtsstaat wie die Bundesrepublik ein bemerkenswerter Zustand.

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In wenigen westlichen Ländern entziehen sich Geheimdienste so der Kontrolle wie in Deutschland. Das "Unabhängige Gremium", das ihre Arbeit nun kontrollieren soll, verdient den Namen nicht.

Von Ronen Steinke

Sogar Karlsruhe erlaubt, dass der Dienst das Grundgesetz ignoriert

Es gibt im Bundestag ein kleines Gremium von parlamentarischen Kontrolleuren der Geheimdienste, das schon. Aber ihre Lage ist bemitleidenswert: Wenn sie etwas entdecken, an dem sie Anstoß nehmen, dann dürfen sie nicht ihre Fraktionskollegen alarmieren, sie dürfen auch nicht die Presse informieren, sondern im Grunde nur einsam in ein Kissen schlagen; derart zahnlos sind die Kontrolleure hierzulande, anders als etwa in den Vereinigten Staaten.

Die Verfassung gibt den Abgeordneten zwar das Recht und die Pflicht, die Dienste an jene zu erinnern, denen sie dienen. Wo es aber interessant wird, schirmt nun selbst das Bundesverfassungsgericht den BND gegen kritische Fragen ab. Die Parlamentarier sollen nicht erfahren, wie der Geheimdienst mit seinen amerikanischen Partnern von der NSA zusammenarbeitet - das hat Karlsruhe in einem am Dienstag bekannt gewordenen Beschluss auf die Klage einiger Oppositionsabgeordneter geantwortet. Stattdessen brauche sich der BND nur von einem "Vertrauensmann" in die Bücher schauen zu lassen, welcher der Regierung genehm ist. Kurz gesagt, man möge bitte Vertrauen haben.

Ginge es nach dem Wortlaut des Grundgesetzes, dann müsste eigentlich auch der elektronischen Massenüberwachung im Ausland, die inzwischen zum Hauptgeschäft des BND angewachsen ist, der Stecker gezogen werden. Die meisten Geheimdienste der Welt folgen dem bequemen Rechtsprinzip: Ausländer sind Freiwild - Grundrechte, Datenschutz, Skrupel gelten nur für die jeweils eigenen Bürger. BND-Lauscher können sich eine solche Haltung eigentlich nicht herausnehmen angesichts dessen, was in der deutschen Verfassung steht; aber auch da schaut die Justiz erstaunlich kraftlos zu.

In der Verfassung gibt es Grundrechte, die "nur" als Bürgerrechte verbrieft sind, also als Vorrechte für Deutsche; die Versammlungsfreiheit zum Beispiel. Beim Grundrecht auf Privatsphäre und bei der Telekommunikationsfreiheit gibt es diese Einschränkung aber gerade nicht, beide Grundrechte gelten für Ausländer auch.

Das ist eine klare Anweisung an staatliche Lauscher, und eine, an welche die Staatsgewalt stets "gebunden" bleibt, wie es in Artikel 1, Absatz 3 des Grundgesetzes heißt. Auch dann, wenn sie eine Expedition ins Ausland unternimmt, zum Beispiel zu einem Spionage-Einsatz.

Wenn man das ändern will, kann man das Grundgesetz ändern. Stattdessen aber geht die Regierung seit Jahren mit einer Wurschtigkeit darüber hinweg, an der das Erstaunlichste ist, dass sie selbst in Karlsruhe nicht auf Widerstand stößt. Es widerspricht den Vorgaben des Grundgesetzes, wie der BND im Ausland Kommunikationsdaten abfischt, und es hilft auch wenig, dass der BND seit der ganzen NSA-Snowden-Aufregung bereits geringfügig größere Skrupel zeigt als früher (und, ja, viel größere als die Amerikaner).

Die Deutschen gestehen jetzt Ausländern rudimentären Privatsphäre-Schutz zu; aber eben weiterhin viel weniger als Inländern. Auch dagegen gibt es jetzt eine Verfassungsbeschwerde, just am selben Tag erhoben, an dem die Oppositionsabgeordneten mit ihrer NSA-Selektoren-Klage in Karlsruhe gescheitert sind. Aber man muss nach der Entscheidung vom Dienstag nicht hellsehen können, um auch ihre Chancen nicht überzubewerten.

Ein Geheimdienst ist ein Teil der Exekutive, in den kein Gericht oder Parlament ernsthaft von außen hineinschauen kann: Es ist nicht neu, dass das im Grunde ein Fremdkörper im System der Gewaltenteilung ist. Neu ist die Resignation der Justiz, als habe man diesen ganzen Bereich eh abzuschreiben.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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