Justiz:Neuer Gerichtssaal in Stadelheim - und kein Anwalt will dort verhandeln

Neuer Hochsicherheitsgerichtssaal in München

Weder Cafés noch Läden sind in der Nähe des Hochsicherheitsgerichtssaals. Im Justizgebäude können sich Prozessbeteiligte auch nicht versorgen.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Der erste Verhandlungstag im neuen Gerichtssaal in Stadelheim wurde unterbrochen.
  • Die Anwälte hatten sich über strenge Kontrollen und Kameras beschwert.
  • Zudem fehlen Räume, in denen sich Verteidiger und andere Prozessbeteiligte aufhalten können.

Von Christian Rost

Der neue Hochsicherheits-Gerichtssaal auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stadelheim ist bundesweit einer der modernsten und größten. Aber ist der 17 Millionen Euro teure Bau auch wirklich für Gerichtsverhandlungen geeignet? Der erste Prozess dort gegen zehn mutmaßliche Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei musste am Montag unterbrochen werden, weil sich die Verteidiger erheblich eingeschränkt und von Kameras im Saal kontrolliert fühlten. Möglicherweise wird das Verfahren wieder zurück ins Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße verlegt.

Andrea Titz, Sprecherin des Oberlandesgerichts München, sagte am Dienstag, sie werde rechtzeitig darüber informieren, falls der 7. Strafsenat eine Rückkehr für notwendig erachte. Das Gericht unter dem Vorsitz von Manfred Dauster prüft derzeit die von den 20 Verteidigern kritisierten Punkte. Sie störten sich bereits an den strengen Einlasskontrollen, bei denen Wachleute auch ihre Aktentaschen durchleuchten und durchsehen wollten. Das sei wegen des Anwaltsgeheimnisses nicht hinnehmbar, hieß es von Verteidigerseite.

Im Saal mussten sie dann feststellen, dass sie keinen Kontakt zur Außenwelt aufnehmen konnten. In dem halb ins Erdreich eingegrabenen Gebäude gibt es keinen Empfang für Mobilfunkgeräte und somit auch keinen Internetzugang. Die Verteidiger, die von 2017 an drei Mal wöchentlich in Stadelheim verhandeln sollen, wären dann für ihre Kanzleien kaum mehr erreichbar. Den kabellosen Internet-Zugang über Wlan nutzten die Anwälte nicht, weil sie Nutzungsbedingungen hätten zustimmen müssen, die aber nicht angezeigt wurden.

Vor allem aber erregten Kameras, die im Gerichtssaal hängen und vom Richtertisch aus gesteuert werden können, den Unmut der Juristen. Sie befürchten, dass damit ihre Unterlagen abgefilmt werden. Schon im Vorfeld war dies kritisiert worden, doch nur an einer Kamera wurde ein Sichtschutz angebracht.

Auch wegen fehlender Räume gibt es Ärger. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre mit zu kleinen Gerichtssälen und beengten Verhältnissen im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße mutet es nun wie ein Schildbürgerstreich an, dass bei der Planung des Neubaus in Stadelheim offenkundig Aufenthaltsräume, zum Beispiel für die Dolmetscher, vergessen wurden. Und es zeigte sich, dass das Anwaltszimmer zu klein ist. Für 14 Verteidiger wurde es angelegt, 20 sind an diesem Prozess beteiligt. Die Berliner Anwältin Antonia von der Behrens informierte bereits die Initiative Bayerischer Strafverteidiger über die unhaltbaren Zustände: Es liege auf der Hand, dass das Gebäude falsch und viel zu klein konzipiert wurde.

Als Bayerns Justizminister Winfried Bausback den Gerichtssaal im vorigen Jahr besichtigte, meinte er, dass der Sicherheitsaspekt sehr viel wichtiger sei als etwa die Größe der Räume. Deshalb wurde das Gebäude von Experten der Bundeswehr mit bis zu ein Meter dicken, explosionssicheren Decken regelrecht eingebunkert. Und im Außenbereich wurden Stahlseile gespannt, um Ausbruchsversuche mit Hubschraubern zu verhindern. Der Münchner Anwalt Andreas Schwarzer fragt sich nun, wofür der Aufwand betrieben wurde. Für Großverfahren scheine der Saal nicht geeignet zu sein. "Sollte das aber nicht sein Zweck sein?", wundert sich Schwarzer.

Justizsprecherin Titz hält die Kritik in großen Teilen für nicht berechtigt. Sie räumt ein, dass es bei besonders umfangreichen Verfahren eng wird für die Beteiligten. Es werde aber derzeit geprüft, ob für die Dolmetscher nicht doch noch ein Nebenraum gefunden werden könne. Die Kameras im Verhandlungssaal seien nicht eingeschaltet, betont Andrea Titz. Sie würden nur benötigt, wenn etwa Beweismittel auf dem Richtertisch abgefilmt und auf Bildschirme projiziert werden müssten. "Man sieht im Übrigen, ob die Kameras laufen oder nicht", so Titz weiter, die durchblicken lässt, dass es den Verteidigern wohl vor allem darum geht, nicht in Stadelheim verhandeln zu wollen.

In dem Schreiben an die Strafverteidiger-Initiative ist dies tatsächlich Thema. Der Gerichtssaal liegt fernab jeglicher Infrastruktur, eingeklemmt zwischen dem Gefängnisbau und einem Wohngebiet. Weder ein Laden noch ein Café befinden sich in der Nähe. Im Gebäude können sich Prozessbeteiligte und Besucher während der Verhandlungspausen ohnehin nicht versorgen. Dieses Problem ließe sich womöglich mit Verkaufsautomaten lösen. Dass man sich in dem Stadelheimer Gerichtsgebäude eingesperrt und abgeschnitten von der Welt fühlt, lässt sich aber nicht mehr ändern. Es befindet sich eben auf dem Gelände eines Gefängnisses. Und die Justiz wird an dem teuren Neubau festhalten.

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