Flüchtlinge in Bad Tölz:Fünf Geschichten über eine neue Heimat

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Über ihr Leben in Tölz erzählten (v. li.) Mohammad Abu Rashed, Achmad Jeman und Mohammed Noori. Rechts: Moderatorin Ursula Menke. (Foto: Manfred Neubauer)

Sie sprechen Deutsch, gehen zur Schule oder haben eine Stelle gefunden: Flüchtlinge erzählen, wie sie in der Kurstadt angekommen sind.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

So allmählich kommt Mohammed Noori in Bad Tölz an. Seit einem Jahr lebt der junge Afghane schon in der Kurstadt, wo er sich anfangs arg einsam fühlte. Keine Angehörigen, keine Freunde, keine Deutschkenntnisse. Das hat sich mittlerweile geändert. Noori geht in die Berufsschule und absolvierte zuletzt ein Praktikum im Einzelhandel, er spielt Fußball als Stürmer beim SV Bad Tölz und besucht einen Theaterkurs. Eigentlich, sagt er, habe er kaum Freizeit, "ich bin sehr beschäftigt". Wichtiger noch: Das bedrückende Gefühl der Einsamkeit ist verschwunden. "Ich habe Freunde, ich habe eine Betreuerin, die sehr nett ist", erzählt Noori. Um die Frage "Flüchtlinge - Neue Heimat Bad Tölz. Wie sieht es aktuell aus?" drehte sich ein Informationsabend, den das Katholische Kreisbildungswerk am Dienstag zusammen mit ReAL Isarwinkel, dem Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch" und dem städtischen Sozialplaner Armin Ebersberger im "WeltRaum" veranstaltete.

Wer die Augen schließt und Mohammad Abu Rashed zuhört, könnte glauben, da spreche ein deutscher Jugendlicher. In nur einem Jahr hat der junge Syrer nahezu akzentfrei die Sprache gelernt. Derzeit besucht er die zehnte Klasse des Tölzer Gymnasiums und räumt ein, dass der Unterricht für ihn noch kompliziert sei. "Vom Stoff her, das muss man ehrlich sagen." Aber er bekomme Hilfe von Lehrern und Mitschülern. Ansonsten hat auch Abu Rashed weniger Probleme als vor einem Jahr, als er nach Tölz kam. "Weil ich besser Deutsch spreche, kann ich Kontakt aufnehmen", sagt er. In seiner Freizeit geht er mit Freunden zum Klettern oder aber liest Bücher, unter anderem Romane. Früh ist Achmad Jeham auf den Beinen, der eine reine Flüchtlingsklasse an der Berufsschule besucht und auf die Realschule wechseln möchte. Der Syrer steht schon um fünf Uhr auf, duscht sich und fängt an zu pauken. Am Morgen gehe das besser, sagt er, "niemand stört mich". Manchmal öffnet er dann auf Youtube ein Programm, um die richtige Aussprache im Deutschen zu üben. Wenn er frei hat, spielt Jeham ebenfalls Fußball, was nach einer Operation aber gerade nicht möglich ist, oder liest.

Die Berufsschule hat Khaleda Amiri schon hinter sich. Vor drei Jahren war sie aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet, vor einem Jahr wurde ihr Asylantrag genehmigt. Sie fuhr täglich mit dem Bus von Kochel am See nach Miesbach, um dort in die Berufsschule zu gehen. Um 6 Uhr früh verließ sie ihre Unterkunft und kam erst gegen 18 Uhr zurück. "Das war ein bisschen schwierig", erinnert sie sich. Die junge Frau verbrachte viel Zeit an Bushaltestellen oder vertrieb sich die Warterei mit einem Spaziergang. Seit acht Monaten hat sie eine Stelle beim Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch", wo sie sich nun selbst um Asylbewerber kümmert und zu ihnen in die Unterkünfte fährt. "Mir gefällt die Arbeit", sagt sie. Anders als Amiri, die eine Wohnung gefunden hat, lebt Suzan Alnajjar aus Syrien noch in einem Asylheim. Von dort würde sie mangels Privatsphäre am liebsten ausziehen. Die Situation sei nicht einfach, "die Leute kochen zur gleichen Zeit, gehen auf die gleiche Toilette, es gibt keine Abgrenzung", erzählt sie. Wegen der unterschiedlichen Religionen träten allerdings keine Probleme auf. Auch Alnajjar hat seit acht Monaten einen Arbeitsplatz in dem Münchner Asylberaterverein.

Fünf Geschichten über die Ankunft in einer neuen Heimat, die Moderatorin Ursula Menke vom Kreisbildungswerk und Sozialplaner Ebersberger optimistisch stimmen. Das lasse sich doch gut an, meint Ebersberger. Vor dem Info-Abend hatte er sich die aktuelle Statistik besorgt. Demnach leben derzeit 394 Schutzsuchende in der Stadt: 77 aus Afghanistan, 47 aus Syrien, 37 aus Nigeria, 28 aus Pakistan, 21 aus Eritrea, neun aus Somalia. Hinzu kommen einzelne Flüchtlinge aus Mali, Burma, Kongo, dem Senegal oder Sierra Leone. 128 Flüchtlinge haben ihren Asylantrag genehmigt bekommen, leben aber noch als sogenannte Fehlbeleger in Asylunterkünften. Unter den Schutzsuchenden in Tölz sind 127 Kindern und Jugendliche - "eine ganze große Menge", wie Ebersberger findet.

Khaleda Amiri hat noch etwas auf dem Herzen. Ihr Mann, der ebenfalls nach Deutschland geflüchtet ist, lebt weit weg von ihr. "Wir versuchen seit zwei Jahren, dass er nach Bad Tölz kommen kann", erzählt sie. Das Problem: Sie haben keine Heiratsurkunde, die hierzulande anerkannt wird. Und in ihren Ausweisen steht noch der alte Vermerk, dass sie ledig seien.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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