Prozess:Antisemitismus-Streit vor Gericht

Von Jakob Wetzel

Durfte Charlotte Knobloch behaupten, der jüdische Publizist Abraham Melzer sei "für seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt"? Diese Frage klärt jetzt das Landgericht München I. Melzer will die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde per einstweiliger Verfügung zwingen, die Behauptung zu unterlassen. Am Montag wurde verhandelt, die Entscheidung wird kommende Woche verkündet.

Knoblochs Satz stand in einer E-Mail, die sie am 23. September an den katholischen Sozialverband KKV Hansa und an das Erzbistum München und Freising schrieb. Melzer wollte in Räumen des Verbands über den "hierzulande hysterisierten Antisemitismusvorwurf" sprechen; nach dem Erhalt des Schreibens aber zog der Verband seine Zusage zurück. Zuvor hatte bereits die Stadt München Melzers Vortrag im Eine-Welt-Haus unterbunden.

Es gehe in der Verhandlung nicht darum, ob Melzer Antisemit sei oder nicht, sagte die Vorsitzende Richterin Petra Gröncke-Müller. Es gehe nur um eine Meinungsäußerung von Knobloch; diese aber brauche einen Tatsachenkern. Sie müsse also unter anderem Äußerungen von Melzer benennen, die sie nachvollziehbar als antisemitisch bewerten konnte. Und so ist Knobloch vor Gericht zwar die Beklagte, es geht aber vor allem um Zitate Melzers.

Beispiele brachte Knoblochs Anwalt Nathan Gelbart einige vor: Melzer habe etwa Mitarbeiter von Israels Außenministerium in Nazi-Jargon als "Blockwarte" tituliert. Er habe Knobloch und andere als "Antisemitenmacher" bezeichnet, ein typisches Klischee: Die Juden seien selber schuld, wenn man sie hasse. Und Melzer bezeichne Knobloch und andere als "Sayanim", als Zuträger des Mossad. Auch diese Unterstellung sei ein gängiges Muster: Juden seien Befehlsempfänger einer fremden Macht.

Melzers Anwalt Jan-Alexander Fortmeyer hielt dagegen: "Antisemitismus ist der am schwersten wiegende Vorwurf, den man in diesem Land machen kann." Deshalb handle es sich nicht um eine beliebige Meinungsäußerung, sondern um "eine Keule, ein Totschlagsargument". Melzer selbst sagte, er stehe zu seinen Äußerungen. Man versuche meist, eine gütliche Einigung zu erreichen, sagte Richterin Gröncke-Müller am Ende. Das scheide hier wohl aus.

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