USA:Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht

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Ein Mann großer Töne: Er könne jemanden auf der Fifth Avenue erschießen und die Leute würden ihn trotzdem wählen, sagte Donald Trump einmal. (Foto: AP)

Manch einer sieht es als gutes Zeichen, dass Trump sich von vielen Wahlkampfversprechen nun wieder abwendet. Das ist falsch. Er zerstört damit die Glaubwürdigkeit des Amtes.

Kommentar von Stefan Kornelius

Zu Beginn der heißen Wahlkampfphase hinterließ der aufgepumpte Kandidat Donald Trump folgende Erkenntnis: Er könne sich jederzeit in New York auf die Fifth Avenue stellen und einen Menschen erschießen - er würde keine Wähler verlieren. Eine interessante Erfahrung für Trump: Er ist unantastbar. Und so schwadronierte er sich durch den Wahlkampf in der Gewissheit, dass keine Lüge und auch keine noch so steile Versprechung ihm jemals schaden würden.

Seit der Wahl teilen sich die professionellen Trump-Beobachter, also die versammelte Menschheit, in zwei Lager. Die Reaganisten behaupten, es werde sich schon schütteln mit dem neuen Präsidenten; der Apparat und seine Eitelkeit werden ihn zähmen; er werde am Ende wie Ronald selig ein ganz Großer werden. Die Nixonianer hingegen zitieren aus dem Handbuch der Staatskunst (@realDonaldTrump) und finden ständig neue Belege, warum dieser Mann die Vereinigten Staaten ohne Umwege in die Hölle führen wird.

Tatsächlich liefert Donald Trump jeden Tag Material für beide Schulen, manchmal binnen weniger Stunden zum selben Thema. Einmal ist die New York Times "gescheitert", dann handelt es sich um die großartigste Zeitung der Welt. Einmal ist Folter eine akzeptable Verhörmethode, dann kriegt man die Sache viel besser mit Bier und ein paar Zigaretten erledigt. Vernunft und Wahnsinn liegen nah beieinander, und irgendwo wird sich wohl auch Trump einpendeln, umgeben von einem Kabinett konservativer Männer mit wenig Regierungserfahrung und einem Schuss Unberechenbarkeit.

Trumps Geschwätzigkeit nimmt dem Amt die Glaubwürdigkeit

All das wäre für die USA und vielleicht auch für die Welt auszuhalten, wenn nicht ein Problem bliebe: Wie soll man einem Menschen glauben, der nicht mal seinen eigenen Worten glaubt, die er wenige Stunden zuvor noch in die Welt geblasen hat? Ein US-Präsident lebt von der Glaubwürdigkeit seiner Worte.

George Bush der Ältere konnte einpacken, als er ein einziges Wahlversprechen brach (keine Steuererhöhung); sein Sohn W. stellte sich auf einen Flugzeugträger und versprach das Ende der Kriegseinsätze, als sie gerade erst begannen; Barack Obama erlitt seinen größten Machtverlust, als er in Syrien eine rote Linie zog und sie dann ignorierte.

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Von Sacha Batthyany

Und Trump? Trägt zur Unterhaltung bei, löst mit einem Tweet internationale Verwerfungen aus (Botschafter Farage) und zerstört damit die Glaubwürdigkeit des Amtes, ehe er es überhaupt angetreten hat. Wohlwollende Begleiter attestieren ihm, dass er doch schnell lerne und seine radikalen Positionen abräume; überhaupt solle man das Geschwätz doch nicht so sehr beachten.

Falsch: Von einem künftigen US-Präsidenten muss man eigentlich erwarten, dass er weder schwätzt noch eine Ausbildungszeit benötigt, in der er sich etwa mit der Klimapolitik vertraut macht. Trump hat die Lernphase wohl dringend nötig. Wenigstens sollte er aber schweigen in dieser Zeit. Für Präsidenten gilt nämlich die tödliche Formel: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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