Mehrweg:Zwei Rosenheimer kämpfen gegen die Kaffeebecher-Verschwendung

Recup - Zwei Gründer aus Rosenheim wollen mit Mehrweg-Kaffeebechern die Müllberge reduzieren.

Die Becher werden bei 180 Grad aus Polypropylen gespritzt - 3900 Stück sind in Rosenheim bereits in Umlauf.

(Foto: recup/oh)
  • Florian Pachaly und Fabian Eckert testen in einem Pilotprojekt einen Mehrwegbecher für Mitnehm-Kaffee.
  • In ihrer Heimat Rosenheim funktioniert das System schon.
  • Ziel der beiden Gründer ist es, das System auch in anderen Städten zu etablieren und somit das Müllproblem der Wegwerf-Becher zu beseitigen.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Wogegen sie ankämpfen, das ist Florian Pachaly vollkommen klar. "Es ist ja superbequem, das einfach auf den Müll zu schmeißen", sagt der schlanke 21-Jährige. Er gibt seine ebenfalls superbequeme Sitzhaltung auf der Retro-Polsterbank in einem Rosenheimer Café auf und beugt sich nach vorn. Während des BWL-Studiums an der Uni in Villingen-Schwenningen zum Beispiel, da hätten in der Cafeteria immer alle die Pappbecher genommen statt der Tassen. Eigentlich ohne Grund, eher aus Gedankenlosigkeit. Und nachdem er dann ein paar Mal jemanden darauf angesprochen hat, da ging der Trend plötzlich wieder zur Tasse. Für Florian Pachaly und Fabian Eckert sollte der Trend ganz generell wieder Richtung Mehrweg gehen. Am besten zu ihrem Pfandsystem für Mitnehm-Kaffeebecher, das sie in Rosenheim aufgebaut haben. Es ist eines der ersten in ganz Deutschland, und nach nur zwei Monaten ist es schon längst das größte.

Denn dass sich der Trend so schnell wieder umkehrt, seinen Kaffee unterwegs und "to go" zu kaufen, das glauben Florian Pachaly und Fabian Eckert nicht. Sie wollen da auch gar niemanden missionieren. "Die Menschen machen's halt", sagt Eckert, sechs Jahre älter als sein Geschäftspartner, roter Bart und ebenfalls in Kapuzenpulli und Sneakers. Nach dem Bachelor in Wirtschaftspsychologie hat der Münchner in Malmö noch den Master in "Leadership for Sustainability" gemacht. Eine Art BWL für die Guten? "So grob", sagt Eckert, der aus Schweden jedenfalls mit der gleichen Geschäftsidee zurückgekommen ist, die dem Rosenheimer Pachaly in Villingen-Schwenningen gekommen ist, als der nach seiner Abschlussarbeit "was Sinnvolles" machen wollte.

Vielleicht wären sie auch so irgendwann beim Herumrecherchieren im Internet aufeinandergestoßen, aber zuerst einmal fanden sie beide die Initiative "Coffee to go again" der Münchner Studentin Julia Post, die Kunden und Cafés dazu bringen will, mitgebrachte Becher zu befüllen.

Post hat den beiden dann voneinander erzählt. "Mehr Glück kann man nicht haben", sagt Fabian Eckert - auf diese Weise jemanden zu finden, der das Gleiche will und mit dem das auch noch so viel Spaß macht. Ende September haben sie dann ihr Gewerbe angemeldet, und seither sind die beiden Gründer ständig unterwegs.

Erst haben sie in Rosenheim die ganzen Cafés und Bäckereien abgeklappert, auch die lokalen Großbäcker mit ihren vielen Filialen. Hier kennt sich Florian Pachaly aus, und außerdem hat die 60 000-Einwohner-Stadt mit ihrem klar definierten Zentrum die richtige Größe für ihren "Pilotversuch". Denn als Versuch sehen die beiden ihr Rosenheimer Pfandsystem immer noch an. Sie wollen Erkenntnisse sammlen, um das Konzept ausfeilen und möglichst bald auch anderswo, in größerem Stil und mit Gewinn anbieten zu können. Momentan seien sie da gerade "in einer superheißen Phase", sagt Pachaly. Sie wissen, dass es hier funktioniert, und sie glauben zu wissen, wie es eigentlich überall funktionieren könnte. Auch in größeren Städten wie München, wo die Leute mit ihrem Kaffee in die U-Bahn steigen und ganz woanders wieder herauskommen, wo es dann auch einen Partner geben muss, der den Becher zurücknimmt.

Mehrweg: Fabian Eckert (re.) und Florian Pachaly wollen auch andere für ihre To-Go-Kaffeebecher auf Pfandbasis begeistern.

Fabian Eckert (re.) und Florian Pachaly wollen auch andere für ihre To-Go-Kaffeebecher auf Pfandbasis begeistern.

(Foto: Matthias Köpf)

In Rosenheim muss das Netz nicht groß sein, sondern vor allem dicht, was mit 26 Cafés und Bäckereifilialen gelungen ist. Auch wer nicht hier lebt, findet schnell eine Stelle, an der er seinen Becher wieder loswird und den einen Euro Pfand zurückbekommt. Natürlich gibt es alle Standorte auch in einer Smartphone-App, wie sie für ein Start-up praktisch Pflicht ist. Als Anreiz, wirklich den Pfandbecher zu nehmen, gibt es den Kaffee darin billiger. In einer Kette müsste der Techniker kommen, um die Kassen umzuprogrammieren. Dort gibt es statt des Rabatts auf Anfrage eine Breze to go. Es fragen öfter Leute nach dem Pfandbecher, sagt die Verkäuferin. Das System funktioniere. Das bestätigt auch Tom Niggl, obwohl sein "Kaffä" - das mit der Retro-Polsterbank - eher ein Lokal zum Bleiben ist.

Verdienen können die beiden an ihren Mehrwegbechern noch nicht

Gespült werden die Becher in den Gastro-Maschinen der Betriebe. Insgesamt zirkulieren 3900 Stück, und wenn sich wo zu viele stapeln oder sie anderswo ausgehen, kommt Florian Pachaly mit dem Fahrradanhänger. Die Deckel sind schwieriger zu reinigen und vorerst Einweg-Produkte - aber kompostierbar, wie Fabian Eckert betont. Für eine eigene Umweltbilanz hat das Startkapital nicht gereicht, aber die bei 180 Grad aus Polypropylen gespritzten Becher seien viel ressourcenschonender herzustellen als die gebrannten und mit Logos "gebrandeten" Porzellanbecher, wie sie manche Cafés verkaufen. Die müssten schon sehr oft benutzt werden, um Pfandbecher einzuholen, sagt Eckert. Und einen Wegwerfbecher habe man in der Ökobilanz nach 17 Zyklen überholt.

Dass es in Rosenheim ein funktionierendes Pfandsystem gibt, hat sich herumgesprochen, und so sind Pachaly und Eckert derzeit viel unterwegs, um größere Städte als Partner zu finden und um Investoren von ihrem Konzept zu überzeugen. Denn verdient ist mit ihrem Pilotprojekt noch nichts. "Und man kann nicht sagen, etwas ist nachhaltig, wenn man kein Geld verdient", sagt Eckert. Trotzdem ist er gerade recht optimistisch, denn sie seien vorne dran. In Berlin und Hamburg gibt es Pfandsysteme nur im ganz kleinen Stil, und in Freiburg und Tübingen haben die Stadtverwaltungen einfach nur Becher verteilt. In Bayern setzt Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) auf eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels. Verbote oder Zwangsabgaben schloss sie nach eine Runden Tisch am Freitag aus. Bald fänden weitere Dialogrunden statt, bei denen Strategien gegen die Becherflut entwickelt werden sollen. Florian Pachaly und Fabian Eckert zeigen sich überzeugt: Sie haben schon eine Strategie gefunden.

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