US-Wahl:Wisconsin bereitet sich auf Neuauszählung vor

Den entsprechenden Antrag hat Jill Stein, Präsidentschaftskandidatin der Grünen, eingereicht. Was nun passiert - die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Warum wird eine erneute Auszählung gefordert?

Die erfolglose US-Präsidentschaftskandidatin Jill Stein von den Grünen erklärt ihre Beweggründe auf einer Kampagnen-Webseite so: Das Wahlsystem in den USA sei nicht vertrauenswürdig. Sie sei auch besorgt über Manipulation der Wahl durch Hacker. Nachdem Anfang der Woche im New York Magazine ein Verdacht in dieser Richtung geäußert wurde, fing Stein damit an, Spenden einzusammeln.

Warum musste sie Geld einsammeln?

Der Bundesstaat Wisconsin hätte die Kosten für eine Neuauszählung nur übernommen, wenn der Abstand zwischen Sieger und Antragssteller geringer als 0,25 Prozent gewesen wäre. Stein hat jedoch nur ein Prozent der Stimmen bekommen. Die Differenz zwischen Republikaner Donald Trump und der Demokratin Hillary Clinton beträgt in Michigan nach offizieller Zählung etwa 22 000 Stimmen, also weniger als einen Prozentpunkt.

Wie schnell muss nachgezählt werden?

Ein Bundesgesetz legt fest, das Neuauszählungen spätestens 35 Tage nach der Wahl abgeschlossen sein müssen. Das wäre am 13. Dezember. Es geht um knapp drei Millionen Stimmen in 1853 Bezirken. Neuauszählungen in Wisconsin sind sehr detailliert geregelt, sagt die Leiterin der Wahlkommission im Interview mit dem Technik-Magazin Wired. Es könnte also knapp werden.

Kommt es automatisch zu einer Neuauszählung?

Nein. Erst wenn die Wahlkommission dem Antrag stattgibt, also den Manipulationsverdacht für gerechtfertigt hält. Davon gehen derzeit aber alle Beobachter aus, auch wenn die offizielle Bekanntgabe der Entscheidung noch aussteht. Wisconsin hatte ohnehin eine Neuauszählung vorbereitet, allerdings in deutlich geringerem Umfang als nun gefordert.

Wird nur in Wisconsin nachgezählt?

Nein, wahrscheinlich kommt es auch in Michigan und Pennsylvania zu einem Recount. Stein hat angekündigt, auch dort eine erneute Auszählung der Stimmen zu beantragen.

Wieso ausgerechnet in diesen drei Bundesstaaten?

Der Vorsprung für Trump ist in diesen Staaten dünn. Auf die Bundesstaaten verteilt handelt es sich um knapp 100 000 Stimmen.

Kaum Hoffnung für Clinton

Könnte Clinton also noch Präsidentin werden?

Es ist sehr, sehr unwahrscheinlich.

Warum?

US-Präsidenten werden durch das "Electoral College" bestimmt, also von Wahlmännern und Wahlfrauen. Wer Präsident werden will, muss 270 Stimmen bekommen. Trump liegt bei 290, Clinton hingegen bei 232. Michigan wird immer noch ausgezählt. Das Rennen ist dort so eng, dass die 16 Stimmen des Electoral College offiziell noch ausstehen. Aber auch dort liegt Trump in Führung. Um noch Präsidentin zu werden, müsste die Nachzählung in allen drei Staaten einen Sieg Clintons ergeben. Und in Pennsylvania beträgt Trumps Vorsprung mehr als 70 000 Stimmen.

Ist die US-Wahl denn durch Hacker manipulierbar?

Ja. Auf rein technischer Ebene wäre es erstaunlich einfach, die US-Wahl zu hacken. Das demonstrierte der IT-Sicherheitsexperte Alex Halderman. Binnen sieben Minuten gelang es ihm, eine Maschine umzuprogrammieren. In einem Blogbeitrag führte er vor wenigen Tagen detailliert aus, wieso eine Manipulation durchaus möglich ist.

Schätzungen zufolge verwenden 22 Prozent aller US-Wähler Wahlcomputer, die keine Papierbelege hinterlassen. Computer, die wohl Papierbelege hinterlassen, sind zwar genauso anfällig für Angriffe, doch kann die Stimme anschließend mit dem Papierbeleg abgeglichen werden. Es ist unklar, ob und wie sich Wahlcomputer überprüfen lassen, die digital und ohne Belege funktionieren. In jedem Fall wäre es deutlich aufwendiger als eine reine Neuauszählung.

Wie wahrscheinlich ist es, dass tatsächlich manipuliert wurde?

Nicht besonders wahrscheinlich. zum einen, weil die Wahlcomputer unübersichtlich verteilt sind. In vielen Berzirken werden sie gar nicht eingesetzt, und selbst wenn, sind es überall unterschiedliche Modelle (hier am Beispiel Pennsylvania). Diese müssten von Hackern jeweils einzeln geknackt werden.

Zum anderen müssten die Hacker sehr genau überlegen, in welchen Bundesstaaten sie das Wahlergebnis um ein paar Prozentpunkte verändern wollen. Also werden sie nach Bundesstaaten suchen, in denen ein knapper Ausgang prognostiziert wurde. In Wisconsin und Pennsylvania war das nicht der Fall, wie die Washington Post kürzlich anmerkte. Beide Bundesstaaten galten als sichere Bastionen für Clinton.

Darüber hinaus werden in Michigan keine der Systeme eingesetzt, die Halderman erwähnt. Sondern Papierbelege, bei denen ein optischer Sensor zum Einsatz kommt.

Gibt es Beweise dafür, dass Hacker aktiv waren?

Nein. Zu diesem Schluss kommt auch Halderman. Er sagt: "Sind die diesjähirgen Abweichungen zwischen Umfragewerten und dem tatsächlichen Ergebnissen auf Cyberangriffe zurückzuführen? Vermutlich nicht." Halderman geht stattdessen davon aus, dass die Umfragen "systematisch falsch" waren. Auch die Statistik-Website Fivethirtyeight.com kommt nach einer Analyse zu dem Schluss: Die Demografie könne das Wahllergebnis erklären.

Wann läuft die Frist für die zwei übrigen Bundesstaaten ab?

Am 28. November in Pennsylvania. und am 30. November in Michigan. In Pennsylvania müsste ein Richter dem Antrag stattgeben, in Michigan könnte Trump Widerspruch einlegen, wie das Wall Street Journal anmerkt.

Wie reagiert Hillary Clinton?

Sie hat sich nicht geäußert.

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