Bundespräsidentenwahl:Österreich vor der Wahl: Krieg der Stellvertreter

Bundespräsidentenwahl: Seit elf Monaten Wahlkampf: Am Sonntag wählt Österreich.

Seit elf Monaten Wahlkampf: Am Sonntag wählt Österreich.

(Foto: AFP)
  • Nach elf Monaten Wahlschlacht sieht noch immer ein Drittel der Wahlberechtigten in Österreich die beiden Bundespräsidentschaftskandidaten als zweite Wahl an.
  • Alexander Van der Bellen wird durch zahlreiche Prominente unterstützt.
  • Schwieriger ist es mit der Unterstützung im Parlament: ÖVP-Klubchef Lopatka nennt den Rechtspopulisten Norbert Hofer den besseren Kandidaten.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Üblicherweise ist die ORF-Talkshow "Im Zentrum" eine eher betuliche Veranstaltung. Aber was da in der letzten Ausgabe vor dem Wahlkampffinale zwischen Norbert Hofer (FPÖ) und Alexander Van der Bellen (Die Grünen) am Sonntagabend abging, das war für österreichische Verhältnisse fast ungehörig: eifernde, polemisierende, laut durcheinanderbrüllende Gäste und eine Moderatorin, der man ansah, dass sie überlegte, ob sie aufstehen und sagen sollte: "Mir reicht's."

Die Hitze komme von außen, analysierte Politikwissenschaftler Peter Filzmaier als professionell gelassener Gast. Aber da hatte er ausnahmsweise mal unrecht: The heat is on. Es brodelte gewaltig auch drinnen, im Studio-Kessel. Die Wahlkampfmanager der beiden Kandidaten fochten jenes verbale Duell aus, das die beiden Bundespräsidentschaftskandidaten, die kurz vorher auf einem anderen TV-Sender aufeinandergetroffen waren, tunlichst vermieden hatten. Die versuchten nämlich, einen Rest Würde in diesem zunehmend würdelosen Wahlkampf zu bewahren.

Van der Bellen darf mit "I am from Austria" werben

Stellvertreterkriege allerorten. Denn ausweislich jüngster Umfragen liegen beide Bewerber gleichauf. Mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten betrachtet beide als zweite Wahl oder nur als geringeres Übel, und etwa zehn Prozent sind bis heute unentschlossen - erstaunlich genug nach einer elfmonatigen Wahlschlacht.

Und so könnten nicht nur die letzten Wahlkampfauftritte der zwei Kandidaten und ihres Trosses ausschlaggebend sein für die Mobilisierung der nötigen Stimmen, sondern auch die Frage: Wer wirbt für wen, welcher Prominente stellt sich hinter wen, mit welchen Namen können die beiden Lager auf den letzten Metern punkten? Alexander Van der Bellen hat am Montag - mit Genehmigung von Austro-Popper Rainhard Fendrich - ein Video mit dessen Song "I am from Austria" online gestellt, der als inoffizielle Landeshymne gilt.

Zahlreiche Promis unterstützen den Ökonomieprofessor

Der 72-jährige emeritierte Ökonomieprofessor kann ohnehin eine stattliche Zahl von Prominenten an seiner Seite aufbieten, die nicht nur aus dem linksliberalen, sondern auch aus dem bürgerlichen Lager kommen. Darunter finden sich EU-Parlamentarier Othmar Karas ebenso wie Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, frühere Parteichefs und Minister der Konservativen, aber auch der Nationalbankchef und zahlreiche Top-Manager. Selbst ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hatte sich in einem Zeitungsinterview, wohl nicht ganz von ungefähr, die Bemerkung entlocken lassen, er werde Van der Bellen wählen.

Offiziell aber hat die ÖVP - anders als die SPÖ, die sich zu dem ehemaligen Grünenchef bekennt - die Maxime ausgegeben, man gebe keine Wahlempfehlung ab. Die Wähler, so die Begründung, seien erwachsen genug, sich selbst eine Meinung zu bilden. Nun aber hat der Fraktionschef der ÖVP im Nationalrat, Reinhold Lopatka, einen kleinen Skandal ausgelöst.

Die Palastrevolte ist nur aufgeschoben

Er gilt als Strippenzieher für eine schwarz-blaue Koalition im Bund. Lopatka hat sich jetzt, offenbar ohne sich mit seinem Parteichef abzusprechen, als Hofer-Wähler geoutet und gesagt, dieser sei der bessere Kandidat. Mitterlehner zitierte ihn am Montag zum Rapport, nicht ohne dies öffentlich zu machen - und verkündigte der Republik bissig, er empfinde Lopatkas Vorgehen als "illoyal". Die Zeitungen schrieben von einem Machtkampf, der allerdings nach der Aussprache offiziell "beendet" wurde.

Aber der Machtkampf dürfte nicht nur ausgetragen werden zwischen dem ÖVP-Chef und dem Fraktionschef, der in Österreich Klubchef heißt. Ihr Streit steht stellvertretend für die Frage, ob mit einem Massen-Bekenntnis konservativer Politiker zu Hofer die Weichen lange vor der nächsten Parlamentswahl auf schwarz-blau gestellt würden.

Auf Wiener Partys geht das Gerücht, der Außenminister empfehle Hofer

Nicht ohne Pikanterie ist es daher, dass auf Wiener Partys derzeit das Gerücht die Runde macht, auch Außenminister Sebastian Kurz, in der Flüchtlingspolitik näher bei der FPÖ als beim Koalitionspartner SPÖ, habe sich eine Woche vor der Wahl für Hofer aussprechen wollen, sei aber zurückgepfiffen worden.

Der Kampf um die künftige Ausrichtung nach dem aktuellen Richtungswahlkampf wirbelt nicht nur die ÖVP durcheinander, sondern die SPÖ desgleichen. Während eine "Wertegremium" genannte Arbeitsgruppe unter Führung des roten Landeshauptmanns von Kärnten, Peter Kaiser, derzeit an einem Eckpunkte-Papier arbeitet, mit dem Grenzen zu den Rechtspopulisten abgesteckt werden sollen, ist das Burgenland längst weiter: Dort koaliert die SPÖ mit der FPÖ (wie die ÖVP in Oberösterreich).

Die SPÖ ringt um eine mögliche Koalition mit der FPÖ

Vor einigen Tagen aber machten zwei Ereignisse Schlagzeilen, die zeigen, wie hart bei den Sozialdemokraten mit der Frage gerungen wird, ob eine Koalition mit der FPÖ denkbar wäre - oder ob sie eine Parteispaltung auslösen würde. In Wien konnte SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl vergangene Woche die Palastrevolte einer Gruppe nur mühsam unterdrücken, die linke und FPÖ-kritische Parteimitglieder aus wichtigen Ämtern drängen wollte; der Aufstand ist aber nur aufgeschoben bis nach der Präsidentschaftswahl. Und Bundeskanzler Christian Kern, der sich bisher nie als FPÖ-Freund zeigte, traf fast gleichzeitig zu einem viel beachteten Streitgespräch mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zusammen, das als "Kuschel-Partie" gewertet wurde, weil Kern auf jede Spitze gegen die Freiheitlichen verzichtete. Die professionellen Politikbetrachter waren ratlos: Hatte Kern, indem er nett zu Politrambo Strache war, diesem keine Angriffsfläche bieten wollen, waren seine Freundlichkeiten Taktik? Oder war das streitlose Streitgespräch der Auftakt für Rot-Blau?

Am 4. Dezember wird, wenn alles glattgeht, ein Bundespräsident gekürt sein. Danach geht der Wahlkampf in Österreich nahtlos weiter.

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