Klassik:An der Schwelle

Klassik: Die junge Italienerin stammt aus einer Musikerfamilie.

Die junge Italienerin stammt aus einer Musikerfamilie.

(Foto: Marie Staggat)

Die erst 23-jährige Beatrice Rana zeigt im Herkulessaal ihr gewaltiges Können. Sie ist auf dem Weg zum Nachwuchsstar.

Von Rita Argauer

Es gibt in den meisten Musikerbiografien gewisse Reifeschwellen. Zu Beginn der Karriere wird sich noch durch sämtliche Epochen gespielt, höchst virtuos, aber in der Aussage bisweilen kahl. Später differenziert sich der Ausdruck, Talent und Technik werden eigenständiger eingesetzt. Die italienische Pianistin Beatrice Rana befindet sich an einer dieser Reife-Schwellen, was sich im Konzert im Münchner Herkulessaal in einem ständigen Wechsel zwischen Konvention und Eigensinn zeigt.

Die 23-Jährige soll ein Klavier-Star werden. Sie entstammt einer italienischen Musiker-Familie und ihr fraglos besonderes Talent wird seit ihrem zwölften Lebensjahr durch ein Stipendium des italienischen Kultusministeriums gefördert. Gerade hat sie ihr Major-Debüt veröffentlicht. Darauf Tschaikowskys erstes Klavierkonzert mit dem Orchestra dell'Academia Nazionale di Santa Cecilia. Es ist das Album eines Jungstars, der aufgebaut werden soll und mit entsprechendem Repertoire den Käufern in die Hand gedrückt werden soll.

Im Konzert klingt ihr Spiel noch nach Bewältigung, dann wieder blitzt eine Haltung durch, die sie über die reine Kunstfertigkeit hinaushebt. Auf dem Programm steht typisches epochenübergreifendes Schaulaufen, in dem sie einen besonderen Blick für die Impressionisten zeigt. Zuvor spielt sie Bachs Partita Nr. 2 mit leichtem, homogenem Anschlag, der die Musik romantisiert. Doch Rana hat über die Suite hinweg mehr die energetischen Wandlungen im Blick als die harmonischen. Eine Taktik, die bei Bach bisweilen wild gerät, die sich aber bei Debussy als herausragend zeigt.

In dessen impressionistischer Barock-Studie "Pour le piano" zeigt Rana eine künstlerische Reife, die ihre Zukunft werden könnte. Ihre Anschlags-Vielfalt, die ein energetisches Spektrum von einem heißen Messer in Butter zu einem Hammer auf Gefrorenem kennt, wird zum großen Trumpf der Eigenständigkeit. Den ersten Teil spielt sie mit einer koketten Luftigkeit im Bass und klaren Höhen darauf, der zweite erklingt majestätisch ohne protzig zu sein und spätestens hier, wenn ihre Läufe wirklich nach Harfenglissandi klingen, traut man ihr Ravels "La valse", als Schlussstück angekündigt, in all den Farbschattierungen zu, die dieses Stück braucht.

Doch zuvor zeigt sie sich noch einmal als angepasster Jungstar. In Chopins zweiter Klaviersonate ist ihre differenzierte Anschlagskunst zwar bestens aufgehoben, doch im Ganzen gerät es etwas konventionell, die feine Ausgestaltung und das Unentdeckte fehlen hier. Der jugendliche Blick, den sie aber letztlich mit voll ausgereifter Technik auf Ravels "La Valse" wirft, überzeugt: Denn der erklingt bei ihr nicht als die postapokalyptische Erinnerung an eine Party, sondern Rana fängt gerade erst an zu feiern: Etwa ihre farbenfrohe Technik, den tanzenden Walzer und die energetischen Kontraste.

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