Krankenversicherung:Wechsel mit Risiken

Arzt

"Der Nächste, bitte!" Das klingt in Angelika Meiers Roman gar nicht gut. Es klingt nach Opium-Rhabarbersaft oder Beschallung mit der eigenen Stimme.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

In der privaten Krankenversicherung können durch einen Tarif-Umstieg die Beiträge sinken.

Von Ilse Schlingensiepen, Köln

In den vergangenen Tagen sind viele Kunden von privaten Krankenversicherern (PKV) durch die Ankündigung massiver Beitragserhöhungen für 2017 aufgeschreckt worden. Prämiensteigerungen von zehn oder 20 Prozent sind keine Seltenheit. Nicht jeder will oder kann das schultern. Ein häufig empfohlenes Mittel, um die Beiträge zu senken, ist der Tarifwechsel beim eigenen Anbieter. Er kann sich lohnen, ist aber kein Allheilmittel und sollte gut geprüft werden. Der Wechsel zu einem anderen Versicherer ist wegen des Verlusts der vom Kunden angesparten Alterungsrückstellungen selten eine gute Option.

PKV-Kunden haben das Recht, bei ihrem Anbieter in einen Tarif mit gleichartigem Schutz zu wechseln. Versicherungsmakler Javier Garcia, der auf den PKV-Tarifwechsel spezialisiert ist, nennt das Beispiel eines 60-Jährigen, der durch den Umstieg 274 Euro im Monat sparen konnte, ohne dass sich der Leistungsumfang stark gemindert hat. "Es gibt Fälle, in denen der Tarifwechsel wirklich Sinn macht", sagt Garcia. "Aber für einen großen Teil der Versicherten lohnt sich der Tarifwechsel nicht." So weit würde Rita Reichard, Referentin für Versicherungsrecht bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, nicht gehen. "Nicht für jeden ist der Tarifwechsel geeignet", sagt aber auch sie.

Das zentrale Problem ist für Garcia, dass die Versicherten die niedrigeren Prämien häufig mit einem Verzicht auf Leistungen erkaufen. Wenn sie später erkennen, dass sie doch eine umfangreichere Deckung benötigen, können sie zwar erneut wechseln - dann wird aber wieder eine Gesundheitsprüfung fällig, den Kunden drohen für Mehrleistungen Risikozuschläge.

Es kann passieren, dass Kunden nach einiger Zeit auch im neuen Tarif mit starken Beitragserhöhungen konfrontiert werden. Dann geht eventuell die Suche nach einem neuen Angebot los. Ist der Versicherungsumfang reduziert, bleiben nur wenige Alternativen zum Wechseln. "Man sollte sich bei den Leistungen nie zu weit vom Ursprungsniveau entfernen, damit man noch Wahlmöglichkeiten hat, falls ein weiterer Wechsel erforderlich ist", rät Garcia.

"Der Verzicht auf Leistungsmerkmale kann gefährlich sein", warnt auch Verbraucherschützerin Reichard. Kunden sollten sich also genau über den Leistungsumfang des gewünschten Tarifs informieren. Bei der Wahl eines neuen dürfen sie nicht nur den aktuellen Beitrag im Blick haben. "Man sollte immer darauf schauen, wie sich der Tarif in der Vergangenheit entwickelt hat." Gab es länger keine Anpassungen, kann das ein Hinweis darauf sein, dass bald Beitragserhöhungen anstehen.

Angestellte sollten nach Ansicht von Makler Garcia beachten, dass sich nach dem Tarifwechsel der Zuschuss des Arbeitgebers reduzieren kann. Er zahlt in der Regel 50 Prozent des PKV-Beitrags, aber nur bis zu einer bestimmten Grenze. Sie liegt 2016 bei 309,34 Euro. Sinkt der Beitrag unter den Wert, zahlt auch der Chef weniger. Zudem sollte man die steuerlichen Effekte beachten. "Es kann sein, dass ich am Ende gar nicht mehr viel spare", sagt er.

Für die Versicherten ist es oft sehr schwer einzuschätzen, ob sich ein Tarifwechsel für sie lohnt und wenn ja, welches Angebot geeignet ist. Zudem hat die PKV in der Vergangenheit häufig versucht, Kunden beim Wechsel Steine in den Weg zu legen. Deshalb bietet inzwischen eine Reihe spezialisierter Dienstleister ihre Hilfe an - darunter eine erhebliche Zahl unseriöser Anbieter. "Ich rate zur Vorsicht bei Vermittlern, die mit günstigen Tarifwechseln locken", sagt Verbraucherschützerin Reichard. Unternehmen, die sich ungefragt per Telefon oder Mail an Versicherte wenden, sollte man prinzipiell ignorieren.

Viele arbeiten mit erfolgsabhängigen Honoraren: Der Kunde muss nur zahlen, wenn er tatsächlich wechselt. Dann erhalten die Berater einen Teil der Ersparnis als Honorar. Vorsicht ist geboten, wenn sie die acht- oder zehnfache Monatsersparnis oder mehr verlangen. Die Ersparnis sollte nicht mit gravierenden Leistungsminderungen erkauft werden oder durch eine drastische Erhöhung des Selbstbehalts. Klären die Unternehmen darüber nicht auf, ist das ein schlechtes Zeichen.

Möglich ist auch die Abrechnung nach Stundensätzen oder Pauschalhonoraren. "Von Pauschalhonoraren sollte man die Finger lassen", findet Timo Voß, Leiter der Abteilung Mitgliederberatung beim Bund der Versicherten. Dabei besteht die Gefahr, dass unseriöse Berater überzogene Summen kassieren und Mandate annehmen, bei denen klar ist, dass sich ein Tarifwechsel gar nicht lohnt.

Seit dem 1. Januar 2016 sind vom PKV-Verband entwickelte Leitlinien zum Tarifwechsel in Kraft, die für ein kundenfreundliches Verhalten der Versicherer sorgen sollen. Da gibt es aber noch Luft nach oben.

Viele PKV-Gesellschaften informieren die Kunden zwar über alternative Tarife. Das geschieht aber häufig in einer sehr unübersichtlichen Weise, und sie nennen nicht die für den Kunden günstigsten Tarife. Die Informationen sind deshalb für die Kunden oft nicht viel wert, kritisiert Voß. "Der Versicherer entscheidet, welche Angebote er macht und welche nicht."

Auch wenn ein Tarifwechsel kompliziert ist und nicht für jeden passt: Es lohnt, sich regelmäßig zu informieren, ob es günstigere Alternativen gibt, sagt Reichard. Der Tarifwechsel muss sorgfältig geprüft werden. Gut ist, dass dabei keine Eile besteht, denn er ist immer möglich. "Man muss es nicht von heute auf morgen entscheiden", betont Voß.

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