Währungsunion:Die Euro-Krise kommt schneller zurück als gedacht

EZB in Frankfurt am Main

Noch spricht niemand von einer neuen Euro-Krise. Aber so unwahrscheinlich ist diese gar nicht.

(Foto: Arne Dedert, dpa)

Das Börsenbeben blieb nach dem Italien-Votum aus, aber das heißt gar nichts. Die Währungsunion wackelt heftiger als zuvor - und das ist hoch gefährlich.

Kommentar von Alexander Mühlauer

Wolfgang Schäuble hat recht. Bislang gibt es keinen Grund, von einer neuen Euro-Krise zu reden; und es gibt erst recht keinen Grund, diese Krise herbeizureden. Nur: Auch der Finanzminister sollte sich eingestehen, dass die Europäer endlich wieder über ihre Währung reden müssen. Sie haben das zu lange nicht getan.

Sie haben die letzten Jahre nicht genutzt, um jene Errungenschaft krisensicher zu machen, die den Wohlstand der EU garantiert: die Wirtschafts- und Währungsunion. Dieses Versäumnis könnte sich nun rächen. Denn diesmal geht es nicht um das kleine Griechenland, sondern um Italien, das allein wegen seiner Größe andere leicht mit ins Chaos ziehen könnte.

Die Gelassenheit der Börsen muss nicht von Dauer sein

Die Regierungskrise in Rom könnte tiefe Verwerfungen nach sich ziehen. Je länger das Land in einer Phase der Unsicherheit steckt, desto größer wird der Druck auf den Euro, der Italien und den Rest Europas zusammenhält. Schon wahr, die Finanzmärkte reagierten am Tag nach dem Referendum gelassen. Dessen Ergebnis war, wie man an der Börse so sagt, eingepreist. Was aber nicht heißt, dass diese Gelassenheit von Dauer sein muss. Dafür ist die Lage in Italien zu fragil. Sollte Noch-Premier Matteo Renzi den Haushalt nicht verabschieden können, und sollten die maroden Banken nicht gerettet werden, dann wird die Euro-Krise schneller als gedacht zurückkommen. Mit voller Wucht.

Italien hat nach den USA und Japan in absoluten Zahlen die dritthöchste öffentliche Verschuldung weltweit. Der Schuldenstand beläuft sich auf etwa 2,2 Billionen Euro. Seit 25 Jahren verzeichnet Italien das geringste Wachstum der Euro-Staaten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Vor allem junge Italiener wissen nicht, warum sie dem Wohlstandsversprechen der EU noch trauen sollten. Sie spüren nichts davon; wie sollten sie auch - sie finden ja nicht mal einen Arbeitsplatz.

Dass es Italien nicht besser geht, hat einerseits innenpolitische Gründe. Das Land ist im wahrsten Sinne des Wortes konservativ, die meisten Bürger und Politiker lehnen zu viel Veränderung ab. Das musste auch Renzi zur Kenntnis nehmen. Er war es ja, der verkrustete Strukturen aufbrechen wollte und scheiterte. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass die neue Regierung dort anknüpft, wo Renzi aufgehört hat: Das Land braucht Reformen, die es nicht überfordern. Renzi wollte das Richtige. Er wollte es nur zu schnell.

Noch bewahrt Mario Draghi Europa vor einer neuen Krise

Dass Italien so schlecht dasteht, hat aber auch mit der wechselseitigen Blockade der Euro-Staaten zu tun. Eine Intensivierung der Wirtschafts- und Währungsunion wäre dringend nötig. Doch wie genau geht das? So lange hier Dissens herrscht, bleibt der Euro angreifbar.

Etwas verallgemeinert ausgedrückt: Südlich der Alpen dringen die Länder auf mehr Vergemeinschaftung, etwa in Form einer EU-Arbeitslosenversicherung. Nördlich der Alpen wird diese Mithaftung abgelehnt, so auch die gemeinsame Einlagensicherung. Versicherung und Einlagensicherung wären für einen starken Wirtschafts- und Währungsraum unabdingbar. Doch die Nord-Staaten haben ein gewichtiges Argument: Bevor die Gemeinschaft haftet, müssen die Risiken verringert werden - etwa in den Bankbilanzen.

Dieses Prinzip ist richtig, doch der Teufelskreis aus Überschuldung und Haftungsrisiko wird so nicht durchbrochen. Bisher bewahrt vor allem Zentralbankchef Mario Draghi Europa vor einer neuen Krise, indem er die alten Probleme bezahlbar und irgendwie erträglich macht. Das Referendum in Italien und die Vibrationen an den Märkten zeigen aber, dass seine weiße Salbe nicht ewig wirken kann. Das Nervenspiel um Reformen, Schulden und Haftung geht also weiter - mit enormem Risiko für alle Seiten.

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