Nach Mord in Freiburg:Sexuelle Gewalt durch geflüchtete Männer muss ernst genommen werden

Mord an Studentin in Freiburg

Eine Spaziergängerin steht in Freiburg an der Stelle, an der eine 19-jährige Studentin von einem jugendlichen Flüchtling umgebracht wurde.

(Foto: dpa)

In ihrer Unterkunft hat die aus Pakistan geflüchtete Autorin sexuelle Belästigung erlebt. Sie glaubt: Viele Fälle von Missbrauch werden erst ans Licht kommen, wenn die betroffenen Frauen ihre Rechte kennen.

Gastbeitrag von Meera Jamal

Schlimmer hätte dieses Jahr kaum enden können. Die Nachricht von der Vergewaltigung und dem Mord an einer 19 Jahre alten Medizinstudentin in Freiburg hat das ganze Land in einen Schock versetzt, in Schmerz und Unruhe.

Fast noch schrecklicher war die Erkenntnis, dass ein 17 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan, noch nicht einmal ein Erwachsener, der mutmaßliche Täter ist. Der Junge lebte seit einem Jahr bei einer Pflegefamilie. Was mich dabei erstaunt hat war die Tatsache, dass die Familie in dieser Zeit offenbar nichts Merkwürdiges an dem Jungen fand, das sie den Behörden hätte melden können. Werden Pflegefamilien von Behörden ausgewählt, und sind sie verpflichtet, Auffälligkeiten zu melden? Da sie Tag und Nacht mit ihren Schützlingen zusammen sind, müssten sie eigentlich am ehesten merken, wenn etwas nicht stimmt. Nach dem, was geschehen ist, wäre es ja durchaus möglich gewesen, dass der junge Afghane genau der Familie etwas antut, mit der er zusammenlebt.

Nach Mord in Freiburg: Meera Jamal, 34, ist eine pakistanische Journalistin. In ihrer Heimat arbeitete sie für die Zeitung The Dawn. Nach Drohungen wegen ihrer Arbeit flüchtete sie 2008 und lebt heute mit ihrer Familie in Wiesbaden.

Meera Jamal, 34, ist eine pakistanische Journalistin. In ihrer Heimat arbeitete sie für die Zeitung The Dawn. Nach Drohungen wegen ihrer Arbeit flüchtete sie 2008 und lebt heute mit ihrer Familie in Wiesbaden.

(Foto: oh)

Psychotherapie sollte bei minderjährigen Flüchtlingen Pflicht sein

Damit will ich natürlich nicht sagen, dass alle minderjährigen Flüchtlinge, die es bis Deutschland geschafft haben, potenzielle Vergewaltiger sind. Ich glaube allerdings, dass diese Kinder schwer traumatisiert sind und deswegen nur in die Hände qualifizierter Menschen übergeben werden sollten. Pflegefamilien sollten peinlich genau ausgewählt werden, damit sie diesen jungen Menschen dabei helfen können, Selbstvertrauen und Respekt zu erlangen. Diese Familien sollten darauf vorbereitet sein, dass sie es mit ungewöhnlichem und verstörendem Verhalten zu tun bekommen. Mehr noch: Psychotherapie sollte bei minderjährigen Flüchtlingen Pflicht sein.

Viele Dinge müssen in diesem Zusammenhang angesprochen werden. Zum Beispiel der psychologische Aspekt bei Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, aus Afrika und Asien. Frauen werden in diesen Teilen der Welt generell verdächtigt, Männer zur Sünde (sprich: Vergewaltigung) einzuladen. Jede Frau, die auf die Straße geht und sich den Blicken der Männer aussetzt, steht unter diesem Verdacht.

Als ich in einer Flüchtlings-Unterkunft in Gießen lebte, habe ich selbst meine Erfahrungen mit Belästigungen gemacht. Aber da ich aus Pakistan kam, habe ich nicht weiter darüber nachgedacht, so absurd das auch klingen mag. Statt die Vorfälle zu melden, beschloss ich einfach, jene Gruppe kurdischer Männer zu meiden, die sich mir immer wieder in den Weg stellten. Ich befreundete mich mit einigen Pakistanerinnen und Pakistanern an, die immer zu mir hielten. Als die anderen sahen, dass ich nie allein war, ließen sie mich in Ruhe.

Heute ist mir klar, wie dumm ich damals war. Statt anderthalb Monate in der Flüchtlingsunterkunft in Angst zu leben, hätte ich die Vorfälle melden sollen. Nur hat sich eben niemand in der Einrichtung die Zeit genommen, uns über solche Dinge aufzuklären. Die Verwaltung dieser Flüchtlingszentren ist so weit weg, dass sie kaum zu erreichen ist, wenn jemand mal ein Problem hat. Ich bin mir sicher, dass viele Fälle sexueller Belästigung verhindert werden könnten, würden Frauen dazu angehalten, Vorfälle zu melden.

Viele Flüchtlinge, die sich als minderjährig ausgeben, sind älter als 18 Jahre

Ich bin sehr dafür, die Flüchtlinge, Männer wie Frauen, über die deutschen Gesetze zu unterrichten und ihnen klarzumachen, was das Wort "Einvernehmen" zwischen Mann und Frau wirklich bedeutet und was die Konsequenz solch abscheulicher Verbrechen ist. Die meisten Männer, die Frauen vergewaltigen und ermorden, haben selbst Missbrauch in der Familie erfahren. Ich glaube, dass viele Fälle von Missbrauch ans Tageslicht kommen, wenn Frauen aus Flüchtlingsfamilien erst einmal ihrer Rechte gewahr werden.

Dann sollte man sich nichts vormachen und eingestehen, dass viele Flüchtlinge, die angeben, minderjährig zu sein, in Wirklichkeit über 18 sind. Mir sind Fälle bekannt, in denen Erwachsene sich als Teenager ausgaben, weil sie wussten, dass sie so größere Chancen haben, dass ihr Asylantrag bewilligt wird. Einige taten es, um ins Jugendheim und nicht in ein normales Flüchtlingslager zu kommen.

Ich bin selbst geflohen und ich weiß, was es bedeutet, Zuflucht zu finden an einem Ort, der einen schützt und die grundlegenden Menschenrechte wahrt. Nach den jüngsten Ereignissen jedoch ist es besonders wichtig, den Menschen zu zeigen, dass die Dinge unter Kontrolle bleiben, und zwar den Deutschen ebenso wie den Flüchtlingen. Ich mag mir nicht einmal vorstellen, was passieren würde, wenn dieses oder irgend ein anderes Verbrechen Feindseligkeiten gegen unschuldige Flüchtlinge auslösen würde, gegen Menschen, die einfach nur Schutz suchen. Es war ein überaus ehrenvoller Schritt der deutschen Regierung, jenen Menschen Zuflucht zu gewähren, die aus Kriegsgebieten kommen. Nun muss sie zeigen, dass sie über ausreichend Infrastruktur verfügt, um die so entstandene Situation zu bewältigen.

Das Burka-Verbot in Deutschland wäre ein Schritt in die richtige Richtung

Fremdenfeindliche Demonstrationen lösen bei vielen Flüchtlingen, die keinen Platz haben, wohin sie gehen können und die alles im Krieg verloren haben, das ungute Gefühl aus, nicht willkommen zu sein. Man muss sich nur vorstellen, was es für geflüchtete Kinder bedeutet, die, ohne zu wissen was passiert, plötzlich diese Anti-Flüchtlings-Parolen sehen und die Sprechchöre hören. Für mich jedenfalls ist das hart. Dass Menschen nicht etwa ihre eigene Regierung und deren Politik infrage stellen, sondern feindselig gegenüber Flüchtlingen sind, egal woher sie kommen und an was sie glauben, dafür gibt es keine Rechtfertigung.

Noch mehr Angst flößt es mir ein, mit meiner Schwägerin zu reden, die in den Vereinigten Staaten lebt. Sie berichtete von einem Ausbruch rassistischer Zwischenfällte nach dem Sieg von Donald Trump und sie sagt voraus, dass Deutschland ebenfalls bei so etwas enden werden. Ich halte dagegen und versichere, dass ich an Deutschland und Europa und an deren Appell an die Menschenrechte glaube. Inständig hoffe ich, dass ich mich nicht täusche.

Schließlich glaube ich, dass ein Burka-Verbot in Deutschland ein Schritt in die richtige Richtung wäre. Ich hoffe nur, dass die Regierung das Verbot dann auch umsetzt. Die Burka ist ein Problem für die Sicherheitskräfte, weil sie die Identität einer Person verbirgt. Außerdem lässt sie die Frauen fremd und unpassend in ihrer Umgebung erscheinen. Vor allem verlangt der Islam von den Frauen ja gar nicht, dass sie sich komplett verhüllen. Wenn die deutsche Bevölkerung und die Flüchtlinge nicht in Harmonie leben und sich gegenseitig respektieren, ist es - mit Blick auf die Sicherheit beider Seiten - sinnlos, sie überhaupt im Land aufzunehmen.

Übersetzung: Nikolaus Piper

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